Mittwoch, 1. Juni 2011

Arbo zum Kachelmann

Gestern wurde Kachelmann freigesprochen. Nun gut, über diese Chose will ich eigentlich keine großen Worte verlieren. Außer: Es geht mir mächtig auf den Docht, das vor allem die öffentlich rechtlichen Medien seit Montag offenbar nicht ohne eine groß angelegte Kommentierung dieses Gerichtsprozesses auskommen.

Bereits am Sonntag, den 22.05.2011, kam das Thema bei Anne Will zur Sprache, wobei dort der Aufhänger die Affaire um Strauss-Kahn war, es der Natur der Sache nach aber nicht aus blieb, über die Causa Kachelmann zu orakeln. Eine Woche und einen Tag später setzte der von mir ansonsten sehr geschätzte Herr Leif (2+Leif, SWR) das Thema auf die Agenda. Dienstag, am Tag des Urteils, Maischberger; auch der Lanz vom ZDF durfte nicht fehlen. Tja und heute, Mittwoch, geht's weiter mit "Hart aber Fair" (ARD).

Was mir bei der ganzen Kommentierung bitter aufstößte, sind insbesondere die angestaubten Rollen- und Geschlechterbilder, die da transportiert werden. Nein, ich will damit nicht die "Männerrechts"-Schiene fahren, auf der ohnehin recht obskure Persönchen ihr noch obskureres Verschwörungssüppchen kochen.

(Näheres zu Letzterem u.a. in Dr. Thomas Gesterkamps Expertise "Geschlechterkampf von rechts" von der Friedrich-Eber-Stiftung (PDF). Kurz angesprochen wird dieses Thema auch in einem Interview mit Gesterkamp in der Zeitschrift "Die Demokratische Schule" der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vom Februar 2011 (PDF).)

Um was es mir geht, ist, dass da mehr oder minder blind eine ganz bestimmte Partnerschaftskonstruktion propagiert wird. Dass es auch zu Gewalt von Männern gegen Männer, Frauen gegen Frauen usw. kommen kann, war und ist kaum Thema. Wie sollen vor allem Männer aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften damit klar kommen, wenn, wie bei Maischberger ganz stolz vorgestellt, ein Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft "Gewalt gegen Frauen" heißt und dort auch nur Frauen angestellt sind? Von Frauen aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mal ganz zu schweigen. Und was soll das überhaupt heißen? Dass Männer keine misshandelten Frauen beraten dürfen sollen (und umgekehrt)? Warum?

Mir ist natürlich klar, dass diese Problematik sehr komplex ist. Ohne Experte zu sein, kann ich mir gut vorstellen, dass es vielleicht nicht die beste Idee ist, eine von einem Mann misshandelte Frau von einem Mann untersuchen/befragen zu lassen.

Mir ist ebenso klar, dass gerade in einem Quasi-Familienbereich, wie es die gängige Stereotype der eheähnlichen Partnerschaft nahe legt, Gewaltdelikte eine besondere Problematik aufweisen.

Aber machen wir uns mal nichts vor: Andere Lebensstile und Beziehungsformen werden innerhalb unserer Gesellschaft immer noch bisweilen negativ abgewertet, so dass ich meine berechtigten Zweifel habe, ob die in den Talkshows häufig zur Schau gestellte Einseitigkeit a) diese negativen Abwertungen verringert und b) den Betroffenen aus diesen abgewerteten Bereichen bei Problemen wirklich hilft.

Mir wäre es deshalb deutlich lieber, wenn die u.a. bei Maischberger so stolz vorgestellten Sonderdezernate derartig breit aufgestellt und ausgebildet sind, dass sie möglichst viele der Gewaltdelikte angemessen behandeln können. Dazu gehört für mich die Gewalt im heterosexuellen Haushalt ebenso wie die Misshandlung unter Gleichgeschlechtlichen (ob in Partnerschaft oder nicht!) oder die Misshandlung von alten Menschen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Thomas-Gesterkamp-Schrift, die du etwas naiv verlinkt hast, ist längst als komplett unwissenschaftliche Verharmlosung des Rechtsextremismus entlarvt worden:

http://www.welt.de/die-welt/debatte/article7574154/Sind-Maennerrechtler-rechts.html

Pass bei sowas bitte in Zukunft etwas besser auf. Nicht alles, was auf den ersten Blick seriös aussieht, hält diesem Eindruck bei näherer Überprüfung stand.

Arbo Moosberg hat gesagt…

Nun ja, die Welt und Herr Hollstein sind wohl nicht unbedingt gerade "die" Adresse, um etwas als unwissenschaftliche Verharmlosung zu "entlarven".

Schon die Einleitung des Artikels, wo auf die FES-Nähe zur SPD verwiesen wird, ist tendenziös.

Außerdem hat Gesterkamp u.a. darauf hingewiesen, dass der "antifeministischen Kampf der Männerbewegungen" noch nicht ausreichend untersucht wurde.

Wer sich die Expertise anschaut, wird das auch eher als Dokumentation verstehen. Die Tendenzen, die Gesterkamp dort aufzählte, sollten zum Nachdenken anregen.

Arbo