Sonntag, 30. September 2007

Belebtes Wasser, Salz und biologischer Kreationismus (3)

Teil 3: Was ist dran, am belebten Wasser?

Nach der in den beiden vorhergehenden Teilen geleisteten Kritik bleibt natürlich die berechtigte Frage, ob an den These vom "belebten Wasser" etwas dran ist.

Zum rein gesundheitlichen Aspekt selbst, kann ich nicht viel sagen. Es scheint mir aber zunächst einzuleuchten, dass normales Quellwasser gesund oder zumindest nicht schädlich ist.

Ansonsten steckt ja in der Argumentation zum "belebten Wasser" auch die These, dass Wasser ein Gedächtnis hätte. Hierzu widmeten sich zwei Artikel in der ZEIT vom Jahr 2003: "Verdünnte Wahrheit" und "Kann Wasser denken?". Die Sendung NANO auf 3Sat brachte ebenfalls einen recht informativen wie (selbst-) kritischen Beitrag zum Thema. Dort heißt es u.a.:
" 'Das Wasser merkt sich Veränderungen, das sehen wir an unseren Bildern', meint Kröplin. 'Das geht noch weiter: Es gibt Wasser, die haben ein besseres Gedächtnis, und solche, die vergessen die Informationen wieder.' "

Quelle: o.V. (2003c).
Natürlich wird im Beitrag auch erwähnt, dass der zitierte Wissenschaftler unter seinen Kollegen nicht unumstritten ist. Dennoch zeigt sich hier, dass es sehr wohl eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema geben kann. Und, dass diese wissenschaftliche Auseinandersetzung, aller – für Wissenschaft typischen – dogmatischen Verbohrtheiten zum Trotz, eben ganz anders ausschaut, als bei jenem "Wasser- und Salz-Propheten", um den es hier in dieser Textserie hauptsächlich ging. Was konkret das "belebte Wasser" anbelangt, ist es der derzeitige der Stand der Dinge, dass sich die Wirkungen von "belebtem Wasser" nicht wissenschaftlich nachweisen lassen. Schon die Methoden, mit denen u.a. die Hersteller von "lebendigem Wasser" dieses nachweisen wollen, sind naturwissenschaftlich nicht überprüfbar.*

Abschließende Bemerkungen

Ich möchte hier zum Schluss klar stellen, dass es keineswegs meine Absicht ist, mich über bestimmte Lebenseinstellungen und einen ganz bestimmten Glauben zu echauffieren. "Glaube" kann dem ein oder der anderen Halt geben. Worauf es mir hier aber ankam, war, darauf hinzuweisen, wo und wie eventuell die "Gutgläubigkeit" und der Glaube mancher Menschen ausgenutzt werden. So ist der Wunsch, sich gut zu ernähren und etwas für seine Gesundheit zu tun, an und für sich sehr lobenswert! Ärgerlich wird es, wenn aus genau diesem Wunsch in recht fragwürdiger Weise Kapital geschlagen wird. Worauf sich dieser Vorwurf bezieht, ist bei Wikipedia aufgeführt:
"Bisherige Erklärungsversuche über die Wirkungsweise werden von Kritikern als beliebige Anhäufung pseudowissenschaftlicher Begriffe gesehen. Diese Erklärungsversuche dienen nur dem Zweck, Unwissenden etwas glaubhaft zu machen, das so nicht existiert.

Das Informationsverhalten der Hersteller verstoße dem zufolge als 'unsachliche Beeinflussung' und 'irreführende Werbung' gegen
das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Weiterhin lautet die Kritik: 'Belebtes Wasser' und analoge Ausdrücke nebst den teilweise erfundenen, wissenschaftlich unhaltbaren Wirkungsbehauptungen diene ebenso wie die Geräte dazu, Ihren Erfindern und Verkäufern durch Vorspiegelung nicht nachgewiesener 'Tatsachen', die bisher als falsch angenommen werden können, Einnahmen zu verschaffen, was als betrügerisch einzustufen sei."

Quelle: Wikipedia (2007).
Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten wird sicherlich nicht alles einwandfrei zu klären sein und deshalb tauchen wohl auch zukünftig immer wieder Spannungen zwischen z.B. "Alternativmedizin" und "Schulmedizin" auf. Aber dennoch sollte eine gesunde Portion Skepsis angemahnt sein, um nicht jedem Quacksalber auf den Leim zu gehen. Wer z.B. vorwiegend Quellwasser trinken möchte oder sich einen Kristall ins Wasser legt, der sollte damit glücklich werden können. Bei allem Streben nach Individualität, sollte allerdings einmal darüber nachgedacht werden, ob mensch damit nicht auch einem bestimmten "Lifestyle" erliegt. So stellen z.B. vegetarische und vegane Lebensweisen in unserer westlichen Gesellschaft sicherlich eine Minderheit dar, aber schon das Angebot in einfachen Supermärkten zeigt, dass sich hier ein gewisser Trend abzeichnet – von einer Außenseitergruppe nicht mehr zu sprechen ist. Einem Lebensstil zu frönen ist natürlich nicht schlecht. Nur sollte bedacht sein, dass damit i.d.R auch eine regelrechte "Lifestyle-Industrie" bedient wird.
 
Festhalten möchte ich, dass der Anlass dieser Artikelserie mein Unmut war, der mich bzgl. der Vorträge eines gewissen Salz-und-Wasser-Propheten beschlichen, die mir bereits ohne die entsprechenden Wissensbestände in Physik, Mineralogie usw. ein flaues Gefühl in der Magengegend verursachten. Wer wissenschaftlich tätig ist wird schon vom Grundverständnis her die Analogien eines Herrn Ferreira skeptisch betrachten, wenn nicht sogar dies geradezu als Beleidigung empfinden. Dabei geht es mir hier vor allem darum, wie Wissenschaft von ihm betrieben – praktisch sogar missbraucht – wird. Und hierzu lässt sich getrost festhalten, dass es sich bei den Vorträgen des Herrn Ferreira um metaphysischen Humbug handelt. Es ist wirklich schlimm, dass so etwas mit dem Label "Wissenschaft" hausieren geht; kaum auszuhalten, dass es sprichwörtlich dazu missbraucht wird, dem berechtigten Wunsch nach Gesundheit den Geist zu vernebeln. Daher hoffe ich hier am Ende meines Textes, die ein oder andere Person zum Nachdenken angeregt zu haben. Es wäre schön, wenn mir dies gelungen ist.
Anmerkungen

[*] Zur Überprüfbarkeit und zur generellen Kritik siehe Wikipedia (2007).


Referenzen

Ferreira (2000/2001), "Wasser und Salz", Zusammenfassung von Vorträgen, auf EDV-Helfert.de, Stand 25.09.2007.

o.V. (2003a), "Verdünnte Wahrheit", ZEIT, Internet: http://www.zeit.de/2003/49/N-Wasser_Ged_8achtnis, Stand: 30.09.2007.

o.V. (2003b), "Kann Wasser denken?", ZEIT, Internet: http://www.zeit.de/2003/49/N-Wasser, Stand: 30.09.2007.

o.V. (2003c), "Wasser erinnert sich wenige Milliardstel Sekunden lang", NANO auf 3-Sat, Internet: Nano auf 3sat.de , Stand: 30.09.2007.

Wikipedia (2007), "Belebtes Wasser", Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Belebtes_Wasser, Stand: 13.09.2007.

Alatriste: Schmutziger Mantel- und Degen-Film

Wer kann sich noch die drei Musketiere erinnern? Vorzugsweise jene Verfilmung mit Gene Kelly? Was waren das noch für Zeiten, als die Degenführer auch akrobatische Künste vollführten und mit einem gezielten Stich ihren Gegnern den Docht des Lebenslichtes verkürzten? Lange ist's her, mag nun die Leserin denken. Und in der Tat, die letzten mir in Erinnerung gebliebenen Filme sind "Der Mann mit der Maske" und "The Musketeer" – beide fand ich nicht so besonders.

Nun also Alatriste, der Film über einen spanischen Söldner. He, halt mal, Söldner? Richtig gelesen: Söldner! Und genau deshalb ist es auch kein typischer Mantel- und Degenfilm! Es wird zwar gefochten, und das nicht zu wenig. Aber der Zuschauerin erschließt sich schnell, dass an Stelle des Rapiers hier das "kurze Messer" im Zentrum der blutigen Kriegskunst steht. Denn von Kriegen erzählt uns dieser Film – insbesonde von den "Stellungskriegen" in Flandern (im Rahmen des spanischen Erbfolgekrieges). Und dort dominiert Alatristes heimlicher Kampf "hinter den Linien", bei dem es gilt, auf verschlungenen Wasserwegen dem Gegner in den Rücken zu fallen. Diese Himmalfahrtskommandos Alatristes sind schmutzig, gemein, hinterhältig und haben nichts, von den Grazie bekannter Mantel- und Degenfilme. Es geht um Krieg und politische Ränkespiele. Erzählt wird, wie es ist, für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen, dafür nicht entlohnt zu werden und sich deshalb in "friedlichen Zeiten" als Schwertarm für zwielichtige Mordaufträge zur Verfügung zu stellen. Alatriste ist so ein Söldner, der von der Hand im Mund lebt. Passend heißt es dazu im Film (sinngemäß): "In Spanien war das Armsein immer schon ein teures Vergnügen."

Und so dreht sich der Film praktisch darum, wie Alatriste von einem Gefecht in das nächste gerät. Ist er mal nicht im Krieg, arbeitet er als Meuchler. Seine Kameraden werden vom Krieg oder von der Inquisition dezimiert. Ein zweiter Handlungsstrang bezieht sich auf jenen Sohn, den Alatriste einem sterbenden Kameraden in Flandern versprach, bei sich aufzunehmen. Dieser verliebt sich in eine Adlige, was natürlich nicht standesgemäß ist. Diese beiden Stränge werden dann noch mit einer höfischen Intrige verquickt, in die u.a. die Inquisition verstrickt ist: Alatriste widersetzt sich eines Mordauftrages, rettet damit sehr wichtigen Persönlichkeiten das Leben, ist von da an aber ständig mit einem halben Bein im Karzer bzw. des Todes – nur seine "Gönner" lassen ihn am Leben. Ein dritter Handlungsstrang erzählt der Leserin von der unerfüllten Liebe zwischen Alatriste und María de Castro, einer Schauspielerin. Beide wollen sich, zögern aber und treffen dann immer wieder zum falschen Zeitpunkt aufeinander. Und beide registrieren, dass sie älter werden – Alterswehmut gesellt sich hinzu. Gerade im letzten Drittel des Films zeigt sich die gesamte Tragik, als sich Alatriste endlich entscheidet und dann einer Frau ein Heiratsgeschenk vermacht, für die es bereits zu spät ist.

Insgesamt besitzt der Film also viele Facetten, die Interesse wecken. Ich glaube, es gibt kaum glaubhaftere Kinobilder eines Krieges im 17. Jahrhundert, wie sie in Alatriste zu sehen sind. Dadurch wirkt der Film sehr ehrlich. Auch dadurch, dass er immer die Söldnerseite aufzeigt. Dabei schimmern kritische Fragen hervor, die auch heute noch aktuell sind: Wer zahlt für das Wüten des Krieges? Wie realistisch schätzen die politischen Führer die Lage ein, in der sie ihre Söldner kämpfen lassen? Ich möchte nicht so weit gehen, das Flandern im Film mit dem Irak oder Afghanistan gleichsetzen. Aber gewisse Parallelen sind meines Erachtens durchaus offensichtlich, möglicherweise sogar bewusst provoziert – insbesondere durch die "moderne" Kriegsführung, die Alatriste betreibt. Etwas unnötig empfand ich manche Gewaltszenen: So oft, wie Leuten die Kehle durchgeschnitten wird, hätte nicht gezeigt werden brauchen!

Leider ist der Film zum Teil aber auch sehr langatmig. Denn so viele Facetten wie er besitzt, so unentschlossen wirkt er auch. Das ist schade, denn aus einigen Handlungssträngen hätte durchaus mehr gemacht werden können. Zum Beispiel liegt in Alatristes Liebe zu María de Castro einfach zu viel Stoff und Tragik, als dass sich dieses nur als kleine Nebenhandlung einbauen lässt. Auch das Ende seines Widersachers ist wenig spektakulär. Entsprechend blieb bei mir ein unbefriedigtes Gefühl zurück.

Fazit

Wer einen typischen Mantel- und Degenfilm sehen möchte, liegt mit Alatriste falsch. Wer eine raue Geschichte über ein Söldnerleben sehen will, in dem auch mal gefochten wird, der sollte sich Alatriste ansehen. Ein richtiges Happy-End ist nicht zu erwarten. Wer also nicht all zu große Erwartungen hat und sich auf charismatische Schauspieler, die hierzulande meist unbekannt sind, einlassen möchte, der sollte sich den Film ansehen. So negativ wie das hier klang, muss ich denn zum Schluss hin doch auch bekennen, dass Alatriste deutlich besser als der Durchschnitt ist.

Links

Kritik auf Splashmovies.de

Spanischer Erbfolgekrieg (Wikipedia, 30.09.2007)

Samstag, 29. September 2007

Belebtes Wasser, Salz und biologischer Kreationismus (2)

Teil 2: Kommerz und Unstimmigkeiten

Im ersten Teil dieser "kleinen" Artikelserie hatte ich über meinen ersten Eindruck zur Zusammenfassung der Vorträge über "Wasser und Salz" von Peter Ferreira berichtet und darüber, was mich dabei ins Grübeln brachte. Mit diesen Zweifeln beladen suchte ich dann nach anderen Informationen, speziell zu dem Herrn Ferreira, dem Autor des Vortrages. Und siehe da, ich wurde fündig. Wo? Auf Tourism-Watch, dem Informationsdienst zum Dritte-Welt-Tourismus. Dort befasste sich Ludmilla Tüting (2002) mit dem "Salzboom", welcher neuerdings zu beobachten sei. Zum Himalaya-Salz allgemein, welches u.a. auch von Ferreira als ganz besonders rein angepriesen wird, schreibt sie:

Zunächst als Geheimtipp und im Internet gehandelt, tauchten die weiß-rosa Salzbrocken 2002 plötzlich für teures Geld in Geschäften auf, besonders in Naturkosmetik- und Bioläden, in Reformhäusern und im Versandhandel. [...] [D]as 'kristalline Salz aus dem Himalaya werde im Bergbau abgebaut', heißt es übereinstimmend bei allen Anbietern. Unbehandeltes Salz im Himalaya, das die Autorin aus jahrzehntelanger eigener Anschauung kennt, sieht jedoch ganz anders aus: entweder [...] blendend weiß [.] oder [...] schmutzig-grau."

Quelle: Tüting (2002).

Bezüglich der Salzthesen bzw. -euphorie mancher Zeitgenossen sei genau jener Artikel wirklich jedem ans Herz gelegt, da hier recht breit über die Thematik berichtet wird – aus meiner Sicht durchaus glaubhaft, wozu auch die dort aufgeführten Literaturlinks einen guten Teil beitragen. Weswegen der Artikel hier aber hauptsächlich Erwähnung finden soll, liegt in dem begründet, was dort zu dem Herrn Ferreira und seinen Vorträgen steht.

"Eine 'Zentralgestalt' des Salzbooms ist Peter Ferreira, geborener Druf, wie die Zeitschrift 'Skeptiker' [.] im Frühjahr 2002
herausfand. Der 'Himalayasalz-Papst' bezeichnet sich als 'Biophysiker', 'Direktor des 'Institute of Biophysical Research', USA' und 'wissenschaftlicher Berater'. Skeptiker-Autorin Andrea Kampuis konnte jedoch weder in den USA noch hier seine Spuren entdecken, außer Artikeln und Tonkassetten zu seinem Thema. [...]

Auch die Zeitschriften 'Öko-Test' [.] und 'Test/Stiftung Warentest' [.] sprachen dem Himalaya-Salz jede besondere Wirkung ab. Es handele sich um 'üble Geschäftemacherei' und um eine Irreführung des Verbrauchers. Jedes Speisesalz sei von der Substanz her ein Kristallsalz. Himalaya-Salz bestehe genau wie unser Kochsalz zu mindestens 97 Prozent aus Natriumchlorid. Der 'sehr geringe Gehalt an natürlichen Spurenelementen' sei 'ernährungsphysiologisch nicht relevant', was sich mit der Analyse eines lebensmittelchemischen Labors deckt, die der Autorin vorliegt: 38,3 Prozent Natrium, 60,7 Prozent Chlorid."

Quelle: Tüting (2002).

Um ehrlich zu sein, hatte sich zu diesem Zeitpunkt mein Unwohlsein mehr zu einer Sorge um bestimmte Personen meines Bekanntenkreises entwickelt, die offensichtlich große Stücke auf die Behauptungen des Herrn Ferreira hielten. Deshalb wollte ich noch etwas tiefer gehen und suchte nach dem bei Tüting (2002) erwähnten Artikel im Magazin "Skeptiker".1 Leider war der Artikel mit dem schlichten Namen "Himalaja-Salz" nicht frei verfügbar, so dass ich – vielleicht etwas blauäugig – einfach mit der Autorin dieses Textes, Frau Dr. Andrea Kamphuis, Kontakt aufnahm. Ich hatte das schon fast vergessen als ich dann am 19.09.2007 Nachricht von ihr erhielt, mit dem entsprechenden Artikel (natürlich nur zum privaten/persönlichen Gebrauch). Darin waren auch recht erhellende Fakten zu jenem Herrn Ferreira recherchiert.

Zum Beispiel lässt Kamphuis (2001) Zeifel daran aufkommen, ob Ferreira seinen Titel "Biophysiker" zu Recht trägt, denn zu seiner (fachlichen) Ausbildung ließen sich nur wenig Informationen zusammentragen; zudem sind die von ihm verwendeten Titel wie "Biophysiker" und "wissenschaftlicher Berater" sowie die von ihm verwendeten Begriffe "Institut" und "Studie" nicht rechtlich geschützt. Kurz: Jeder kann sie nach eigenem Gutdünken nutzen. Und offenbar steckt hinter dieser Verwendung von Ferreira eine bestimmte Absicht. Entsprechend bestätigte mich Kamphuis (2001) in meinem (unguten) Eindruck, der mich schon beim erstmaligen Lesen des Ferreira-Textes ergriff, wenn sie schreibt:

"Die weit hergeholten Analogien, Anekdoten und pseudo-etymologischen Wortspielereien seines Vortrags wirken alles andere als wissenschaftlich. Dennoch gewinnen viele Zuhörer den Eindruck, einen Wissenschaftler vor sich zu haben [...]"

Quelle: Kamphuis (2002), S. 15.

In ihrem Artikel führt die Autorin das noch weiter aus, indem sie u.a. auf das unsauber benutzte Physikervokabular verweist, welches Ferreira "geschickt" mit den Begriffen diverser Parawissenschaftler vermischt; sie weist außerdem auf offenbar falsch verwendete Begriffe hin ("kolloidale Materie"). Zur der esoterisch aufgeladenen Euphorie darüber, dass im Himalaja-Salz die 84 Stoffe enthalten sind, die auch im menschlichen Organismus zu finden wären, klärt Kamphuis (2001) auf, dass dies auch nicht anders sein kann: Von den 112 Elementen des Periodensystems blieben letztlich "nur" 84 Elemente als "greifbare" Materie übrig (die anderen "zerfallen" zu schnell oder sind gasförmig). Praktisch besteht also alles um uns herum aus diesen 84 Elementen – so auch das Himalaja-Salz.

Neben diesen fachlichen Aspekten zeigt Kamphuis (2001) noch andere Ungereimtheiten auf: Um die Unabhängigkeit des "Fördervereins Wasser und Salz e.V." zu gewährleisten, gab Ferreira sein Amt als dessen Vorsitzender auf. Diesen hat heute Frau Dr. Hendel, Ko-Autorin von Ferreiras Bestseller "Wasser und Salz", inne. Wenn das mal nicht zu einer besseren Unabhängigkeit dieses Vereins beiträgt. Von kommerziellen Bestrebungen, was die Vermarktung des Himalaja-Salzes anbelangt, distanzierte sich Ferreira ebenfalls. Vermutlich deshalb will er das Honorar seiner Bücher an afghanische Kindern spenden, denen er sich persönlich annehmen möchte. Sozusagen ein symbolischer Akt seiner Glaubwürdigkeit: Er dient ja der "Sache" (lebendiges Wasser) und er ist gemeinnützig. Nun stellte Kamphuis (2001) bei ihrer Recherche aber fest, dass hinter Ferreiras Verlag eine PR-Agentur für Ärzte steckt, die zudem auch am gleichen Ort wie sein "Förderverein Wasser und Salz e.V." sitzt – mehr noch, diese Agentur besitzt auch noch die gleiche Fax-Nummer wie der Förderverein. Die Leserin mag an dieser Stelle selbst 1 und 1 zusammenzählen.

Kritik an den Salz- und Wasserboom kommt aber nicht nur von jener skeptischen Seite, von der es manch eine Jüngerin des "lebenden Wassers" ohnehin erwartet hätte (von Zeitschriften wie "Skeptiker", von Verbrauchermagazinen und von NaturwissenschaftlerInnen). So stieß ich z.B. auf den Artikel "Das Salz in der Wellness-Suppe" von Peter Rehn, einem Heilpraktiker, der laut den Aussagen am Ende seines Artikels nach einer "ganzheitlichen Medizin" und "neuen" Spiritualität sucht.2 In seiner etwas spritzigen Art schreibt er zu Herrn Ferreira:

"Ein anderer, der uns heute an die Lebendigkeit des Wassers mit aller Eindringlichkeit erinnern will, ist der Biophysiker und Metaphysiker Dr. Peter Ferreira, geborener Peter Druf. [...] Ferreiras Anliegen ist »Lebendiges Wasser«, das heißt natürliches Wasser. Zweitens geht es ihm um lebendiges Salz. Aber es geht ihm um noch viel mehr. Ich vermute einmal, er ist auf der Suche nach dem Wesen, der Seele des Wassers, und dabei ist ihm jedes Mittel recht, ob Biophysik, Geomantie, Radiästhesie oder Geheimwissenschaft - er mischt alles so geschickt, dass die Leute glauben, alles was er sagt, sei wissenschaftlich bewiesen. Z.B. dass jedes Wasser einen ganz eigenen Charakter hat oder dass es Erdgitternetzlinien gibt, die mit ihren Frequenzmustern unser Bewusstsein verändern (und natürlich die geistige Frequenz erhöhen) können – auf einen Schluck! Und so gerät er in esoterische Grenzbereiche, die der Sache selbst nicht immer dienlich sind."

Quelle: Rehn (2007?).

Unabhängig von der Kritik an Ferreira und seinen Äußerungen fällt bei diesem Thema eine gewisse "Kommerzialisierung" auf. Wer im Internet recherchiert, wird z.B. "Harmonisierungs-Sets" finden: Das sind Gläser, in die solche Begriffe "Kraft" oder "Glück" eingraviert sind und welche Wasser "beleben" sollen. Solche Gläsersets finden sich mittlerweile in vielen Internetshops. Zwar mag hier das Preisliche nicht so sehr ins Gewicht fallen, aber es zeigt sich damit doch zumindest ein gewisser Trend in Richtung Vermarktung, d.h. die Idee und die Produkte fristen nicht mehr nur ein Nischendasein, sondern schaffen sich ihre eigenen kommerziellen Netzwerke (Vertriebswege). In preislicher Hinsicht wird solch ein Vermarktungstrend beim Himalaja-Salz deutlich: Dieses ist für 22,00 Euro pro Kilo zu bekommen. Im Vergleich: Natürliches "veganes" und vegetarisches Meersalz lässt sich schon für 0,99 Euro pro 500g erwerben.3 Wie lassen sich derartige Preisunterschiede rechtfertigen? Bevor jetzt jemand auf die (angeblich) "fairen" Arbeitsbedingungen und auf die "Handarbeit" der Salzbergleute abzielt, die m.E. eh kaum jemand wirklich belegen kann, sollte bedacht werden, ob die Lebenshaltungskosten in dem Ausland (Himalaja-Gebiet) ggf. niedriger sind. Liegt also bei dieser ganzen Salzsache ein – von mir aus auch berechtigtes – kommerzielles Ansinnen vor? Ich meine, machen wir uns doch nichts vor: Völlig unabhängig davon, ob etwas an dieser Wasser- und Salzgeschichte dran ist, lässt sich damit Geld verdienen. Mehr, es scheint zu einem bestimmten Lifestyle zu gehören. Kritisch und resümierend schreibt Peter Rehn dazu in seiner erheiternden Art:

"Eine kleine Elite möchte das ganz Besondere für sich - wenig später wollen's alle, und dann beginnt der Tanz um Logistik und Geld und last not least um die gerechte Verteilung: Kristallsalz aus dem Himalaya für alle, aber zu vernünftigen Preisen - geht das? Peter Ferreira jedenfalls ist inzwischen untergetaucht. Der Rummel wurde ihm zu viel, munkelt man. Das Schicksal der Propheten halt!"

Quelle: Rehn (2007?).

Auf den Punkt gebracht, lässt sich Ferreiras "Wissenschaftlichkeit" und seine selbstlose – altruistische – Hinwendung der Sache wegen doch sehr stark in Zweifel ziehen. Und zwar nicht nur seitens echter Wissenschaftlerinnen, sondern auch von jenen, die sich alternativen Lebens-, Ernährungs- und Heilformen verschrieben haben. Zusätzlicher Argwohn kommt auf, weil "neuartige" Ernährungsformen Teil eines "Lifestyles" sind und genau dies praktisch eine Industrie auf den Plan ruft, die in eine – wenn auch kleine, aber dennoch offenbar zahlungskräftige – Nische vorstößt. Neben den oben erwähnten Sachverhalten (Himalaja-Salz usw.) lässt sich das sehr einfach nachprüfen, wenn in eine bekannte Suchmaschine "lebendiges Wasser Flasche Preis" eingegeben wird (zu finden ist u.a. ProAqa, eine Seite, deren kommerzieller Charakter sicher nicht zu leugnen ist). Wer hier also nach selbstlosen Gutmenschen sucht, denen einzig die Gesundheit der Menschen am Herzen liegt, scheint sich etwas vor zu machen: Gerade weil es sich um eine Glaubenssache handelt, ist Skepsis statt eines blinden "autoritären" Esoterikgehorsam angebracht.

Anmerkungen

[1] Zugegebenermaßen schreckte mich der Name dieser Zeitschrift ("Skeptiker") zunächst erst ab. Allerdings fand ich auf der entsprechenden Homepage einen Eintrag über das Anliegen der Herausgeber, was mich dann doch etwas beruhigte.
Wer Informationen zu vermeintlich übersinnlichen oder paranormalen Phänomenen sucht, trifft meist auf einen unkritischen bis enthusiastisch-zustimmenden Umgang mit diesen Themen. Wir haben uns in der GWUP das Ziel gesetzt, ein Gegengewicht zu dieser erdrückenden Desinformation zu bilden. So wollen wir ermöglichen, dass sich die breite Öffentlichkeit angemessen über diese Themen informieren kann.

Quelle: GWUP.Org
(Stand: 29.09.2007).

[2] "Das Salz in der Wellness-Suppe" fand ich auf Lifestyle.de, stellte aber fest, dass der Artikel ursprünglich auf Connection.de veröffentlicht wurde. Ich erwähne das nur, weil Connection.de mit seinen esoterischen Gedanken, der Suche nach "alternativen Lebensformen" usw. aus mancher Sicht in eine bestimmte Schublade gesteckt werden könnte, von deren "Wissenschaftlichkeit" mit Sicherheit nicht jede Wissenschaftlerin überzeugt wäre. Insofern bildet Peter Rehn hier sicherlich einen Kontrast zu Wissenschaftlerinnen wie sie im "Skeptiker" vertreten sind; und gerade deshalb halte ich diese Kritik, trotzdem sie auch aus naturwissenschaftlicher Sicht ihre Mängel aufweisen mag, ebenfalls für sehr wichtig.

[3] Die Zahlen stammen von hier (Hunza-Salz) und hier (veganes Meersalz, fein aus Portugal, 1,98 Euro pro Kilo) (Stand: 26.09.2007).


Referenzen
Ferreira (2000/2001), "Wasser und Salz", Zusammenfassung von Vorträgen, auf EDV-Helfert.de, Stand 25.09.2007.

Kamphuis, A. (2001), "Himalaja-Salz", Skeptiker, Nr. 15, S. 14-17.

Rehn, P. (2007?), "Das Salz in der Wellness-Suppe", Connection.de, Stand: 25.09.2007; Hinweis zum Artikel: Leider konnte ich nicht in Erfahrung bringen, wann "Das Salz in der Wellness-Suppe" geschrieben wurde. Deshalb habe ich (2007?) gewählt.

Tüting, L. (2002), "Neue esoterische Abzocke: Der 'Jungbrunnen' Himalaya-Salz", Tourism-Watch, Stand 25.09.2007.

Wikipedia (2007), "Belebtes Wasser", Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Belebtes_Wasser, Stand: 13.09.2007.


P.S.: Im dritten, letzten, Teil werde ich noch etwas zum "Gedächtnis des Wassers" schreiben und ein allgemeines Resümee zu dieser Problematik ziehen.

Freitag, 28. September 2007

Belebtes Wasser, Salz und biologischer Kreationismus (1)


Teil 1: Ein erster Eindruck vom Wasser und Salz

Es ist jetzt fast über einen Monat her, da wurde ich so ganz nebenbei das erste Mal mit dem Thema "lebendiges Wasser" bzw. "belebtes Wasser" konfrontiert. Ohne mich jetzt in lange Erklärungen zu verstricken: Was unter belebten Wasser zu verstehen ist, führt Wikipedia1 wie folgt aus:

"Als belebtes Wasser (auch: levitiertes, vitalisiertes, formatiertes, informiertes, harmonisiertes oder Grander-Wasser) wird auf verschiedene Weisen behandeltes Wasser bezeichnet, das nach Angaben seiner Hersteller Gesundheitszustand und Stimmung („Vitalität“) verbessern soll."

Quelle: Wikipedia (2007).


Wenig später erhielt ich dann im StudiVZ einen Einladung einer entsprechenden Gruppe beizutreten, in der dann ein Link zu einem Aufsatz und zu Vorträgen eines gewissen Herrn Ferreira führten. Ausdrücklich wurde auf die Lektüre dessen hingewiesen, dem ich als interessierter Mensch natürlich Folge leistete. Tja, aber was soll ich sagen: Der Text schien mir irgendwie "komisch". Da wurden (meinem Gefühl nach) rhetorische Kniffe verwendet, Konstrukte und Analogien aufgebaut, die mir als Wissenschaftler sprichwörtlich die Fussnägel haben hochrollen lassen. Selbst von populärwissenschaftlichen Vorträgen sollte zumindest ein wenig Niveau erwartet werden. Hier war aber m.E. vieles von dem verlassen worden, was hätte seriös wirken können. Im Gegenteil: Mir schien, dass bestimmte Dinge "zurechtgebogen" wurden. Dafür mal ein Beispiel.

"Die Physik begründet sich auf die Mechanik, die Mechanik auf das Rad, das Rad auf den Kreis - und den Kreis brauchen wir für die Wiederholbarkeit. Falls wir so immer wieder zum selben Ergebnis kommen sagen wir, 'dass ist wissenschaftlich nachgewiesen'. Aber diesen Kreis gibt es in der Natur gar nicht. In der Natur kennen wir nur die Spirale. Wir kommen zwar wieder an den selben Punkt zurück - aber bereits auf einer anderen Ebene, so ähnlich wie wir das von den Jahreszeiten kennen. Jedes Jahr haben wir wieder Sommer - und doch wissen wir, dass jedes neue Jahr uns einen anderen Sommer zeigen wird. Diese Spiralform baut auch unseren physischen Organismus auf. Wir kennen das von unserer DNS, unsere genetische Erbinformation. Und genau diese Spiralform finden wir auch im Wasser wieder, wenn es sich spiralförmig als ein lebendiges Wasser selbst bewegt.

In der Natur finden wir also solche Ordnungszustände vor. Ordnungszustände kennen wir ja aus der Mathematik. Und ein Teilbereich der Mathematik ist die Geometrie. Wenn wir auch hier einmal über das Wort nachdenken, was finden wir da vor? Geo - die Erde, metrie- das Maß, das Erdmaß. Es steckt also ein göttliches Erdmaß dahinter, was sich immer wieder gleich geometrisch aufbaut, so wie wir es eigentlich von allen platonischen Körpern kennen. Denn dort hat ja eigentlich die Energie angefangen, sich zuerst zu materialisieren - und zwar durch Kristallisation. Und wenn wir uns nun einmal einen Kristall anschauen - sagen wir einen Bergkristall, dann wissen wir zum einen, dass es nie zwei gleiche Bergkristalle gibt und trotzdem wissen wir zum anderen, dass jeder dieser Bergkristalle immer wieder ein und dieselbe exakte Geometrie aufweist und somit zu den platonischen Körpern gehört. Hier handelt es sich zwar um Silikate. Doch sollten wir uns einmal die Frage stellen, welche Macht dahintersteckt, dass diese Bergkristalle einen so perfekt gleichen geometrischen Aufbau haben. Um diese perfekte Geometrie der Kristalle geht es mir."

Quelle: Ferreira (2000/2001).


Dazu möchte ich kurz zwei Anmerkungen machen. Zunächst hatte ich vor Jahren einem Beitrag an meiner Universität (Leipzig) zum Thema Symmetrie und Natur beiwohnen dürfen. Gehalten wurde dieser von einem Professor aus der Mineralogie. Was der ganz genaue Inhalt war, daran erinnere ich mich ehrlich gesagt nicht mehr so sehr. Im Groben ging es dort um die Fasziniation dessen, dass Natur eben auch viel mit Symmetrie zu tun hat. Insbesondere auch die belebte Natur: Dazu muss mensch sich bloß mal die Beine einer Spinne, deren Augenanordnung, die Anordnung eines Insektenkörpers usw. anschauen. Aber auch "simplere" Dinge fallen auf: Augen, Arme, Beine usw. sind allesamt symmetrisch angeordnet. Kann sein, dass dies hauptsächlich evolutionsbiologisch zu sehen ist, dass ein "symmetrischer" Zeitgenosse einen evolutorischen Vorteil genießt, weil bei Wegfall z.B. eines Körperteils praktisch noch ein anderes, fast ähnliches vorhanden ist. Das ist jetzt von mir bewusst spekuliert. Klären kann das eine Biolgin (o.ä.). Auf was ich aber hinweisen will, ist, dass der eben erwähnte Vortrag an meiner Uni bei Weitem ohne diese seltsamen Verweise auf "metaphysische Kräfte" auskam, wie sie bei dem Herrn Ferreira zu finden sind.

Mein zweiter Kritikpunkt schöpft sich ebenfalls aus meiner Erfahrung. Ich selbst beschäftigte mich im letzten Jahr sehr intensiv mit der Frage, ob es zulässig ist, z.B. biologische Mechanismen auf die Physik oder auf die Gesellschaft zu übertragen. Konkret ging es u.a. um den aus der Biologie bekannten Mechanismus "Variation-Selektion-Retention" (VSR).2 Dazu lag mir kürzlich ein ausführlicher Artikel vor, dem sich verschiedene Kritker annahmen – darunter Biologen, Ökonomen, Physiker und Kulturanthropologen. Jeder hatte eine z.T. andere Meinung dazu – hin und wieder kamen Vorwürfe auf, ein Verwenden des VSR-Schemas (z.B. auf die Wirtschaft) wäre gar metaphysischer Natur. Was ich damit andeuten will ist: Während sich verschiedene Wissenschaftler verschiedener Disziplinen über einen größeren Zeitraum mit der Zulässigkeit von Analogien beschäftigen, geht der Herr Ferreira in seinem Vortrag einfach mal so darüber hinweg. Dabei ist es mehr als berechtigt zu fragen, ob Ferreiras "Spiralanalogie" überhaupt zulässig ist!

Ganz ketzterisch könnte ich hier auch einwenden, dass seine "Spirale" im Grunde nur ein andere Bezeichnung für das ist, was andere als Veränderung, Entwicklung, Wandel oder eben auch als Evolution bezeichnen. Und diese geht zwar zeitlich (historisch) immer vorwärts, aber ob sie wirklich immer einer symmetrischen Spiralform folgt, möchte ich ehrlich gesagt bezweifeln (Wer möchte, kann sich ja mal die Verästelung der Stammbäume von bestimmten Spezies anschauen und dort eine "Spirale" suchen!).

Was dem Ganzen noch einen ziemlich unseriösen Anstrich gibt, ist diese metaphysische Verklärung. Statt über "Kraft" oder "göttliche Macht" zu spekulieren, hätte Ferreira doch einfach sagen können: "Eh, ich weiß nicht, warum das so ist." Aber nein, da ist etwas "Großes" am Werke, ein Geheimnis, was da die Perfektion in der Struktur bewerkstelligt. Dass die Bewunderung für diese Struktur also derart spekulativ aufgeladen wird, wirkt eher unwissenschaftlich, zumal er sich noch nicht mal die Mühe gibt, seine religiös gefärbten Blicke von seiner Wissenschaftssprache zu trennen – im Gegenteil, er versucht seine Spekulationen damit eher aufzuwerten.

Und weil es so schön war, gleich noch solch eine "Perle" aus der Schatztruhe des Herrn Ferreira.

"Deshalb wiederhole ich mich und sage, wenn wir also lebendiges Wasser zu uns nehmen, bringt es uns das Leben. Wenn wir aber totes Wasser zu uns nehmen, dann bringt es uns möglicherweise den Tod!"
Quelle: Ferreira (2000/2001).


An dieser Stelle sollte sich die Leserin ernsthaft fragen, warum er Ersters (Wasser als Lebensspender) als so absolut gegeben sieht, während er Letzteres (totes Wasser und Tod) relativiert. Kann es vielleicht daran liegen, dass Letzteres eben gar nicht so absolut nachzuweisen ist? Mag es vielleicht einfacher sein, zu erfahren, wenn ein Mensch "lebendiges Wasser" trinkt und sich dabei wohl fühlt? Einen Toten kann ja wohl niemand mehr ernsthaft befragen, oder?

Insofern war ich schon nach dem ersten Lesen mit Zweifeln beladen, die mich zu weiteren Recherchen ermunterten.


Anmerkungen

[1] Um eines vorweg zu schicken. Klar, Wikipedia mag "manipulierbar" sein. Wer aber genau das als Argument gegen diese Institution einbringt, muss sich aber auch deren demokratischen und pluralistischen Charakter entgegenhalten lassen. Denn so, wie jemand etwas "falsches" bei Wikipedia verfassen kann, so darf jede Person auch etwas "Richtiges" verfassen. Jedem steht es frei, den Inhalt zu verändern. Er steht dann nur einer (womöglich) kritischen Masse gegenüber. Wichtig sind auch die Literaturhinweise, welche bei guten Artikeln angegeben und neuerdings mit richtigen Literaturverweisen versehen sind.

[2] Kurz auf den Punkt gebracht: Über Variation werden "Genbausteine" gemixt und neue "Ausprägungen" (Hautfarbe usw.) erzeugt. In Konfrontation mit der Umwelt werden diese selegiert und die so überlebenden Ausprägungen bzw. Bausteine werden dann "übernommen" bzw. vererbt (= Retention; gelegentlich ist diesbezüglich auch von "Bewahrung" oder "Replikation" die Rede).


Referenzen

Ferreira (2000/2001), "Wasser und Salz", Zusammenfassung von Vorträgen, auf EDV-Helfert.de, Stand 25.09.2007.

Wikipedia (2007), "Belebtes Wasser", Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Belebtes_Wasser, Stand: 13.09.2007.


P.S.: Der gesamte Text ist sehr umfangreich geworden, weshalb ich ihn aufteilte. Im hier anknüpfenden zweiten Teil werde ich einige Kritikpunkte aufgreifen, die ich über die Recherche im Internet in Erfahrung brachte.

Donnerstag, 27. September 2007

Faschos in da House: "Hau doch ab Du Kaffa!"

oder "Was manche denken mögen, sich aber nicht so zu sagen trauen."

"Bombenbauer in Nachbars Garage - wie gefährlich sind die Glaubenskrieger?" hieß es gestern bei "Hart aber fair" (WDR). Der Titel war wohl provozierend gemeint, wirklich provozierend waren aber zumindest zwei seiner Gäste.

Ein Gast: Diese weißharige Grantbüchse A. Baring, die mit ihren gedanklichen Brandsätzen eh schon seit geraumer Zeit diverse Talkshows heimsucht. Im Vita (WDR) steht zu diesem Historiker: "Der Islam will uns Christen zurückdrängen". Schön, dass er mich gleich mit in sein "uns" einschließt. Wahrscheinlich aber nur, weil ich mich ja seinem Leitkulturanspruch unterzuordnen habe. Natürlich war die christliche Leitkultur gemeint. Und die funktioniert wie folgt: Gibt es eine Minderheit, die nicht christlich ist, dann hat die sich der Mehrheit unterzuordnen; und wenn z.B. ich als "Ungläubiger" darauf poche, ungläubig zu bleiben, muss ich mich trotzdem dieser Leitkultur unterordnen, weil "die ist ja Geschichte". Bosbach, der glatte Rethorikaal von der CDU, trötete ins gleiche Horn.

Wenn nun z.B. dem Lafontaine von der LINKEn Linkspopulismus vorgeworfen wird, müsste diesen beiden "Brüdern" Rechtspopulismus vorgeworfen werden. Um das zu umgehen, distanziert sich Baring deutlich von der Nazi-Zeit, mit markigen Sprüchen über dies "Idioten". Komisch, dass dies eher einen "Zweck-Mittel"-Eindruck erweckt: Um fremdenfeindliche Äußerungen von sich zu geben, ist es sicher ganz opportun (vorteilhaft), sich von rechten "Größen" wie der NPD und auch von den Nazis zu distanzieren. Dazu natürlich noch ein Bekenntnis zum Judentum, um jeglichen faschistischen Geruch von sich zu weisen. [*] Faktisch ändert dies aber nichts an den Inhalten der Parolen, die – wenn auch "diplomatischer verpackt" – ähnlich sind. Obwohl: Es ist zu beobachten, dass diese Parolen auch von etablierten Parteien zunehmend gröber und ungenierter in die Kameras skandiert werden.

So ist für Baring z.B. das Kopftuch (der Frau) eine politische Aussage, ein Zeichen der Unterdrückung, des muslimischen Weltherrschaftsanspruchs und somit innerhalb der christlichen Leitkultur nicht akzeptabel. So, wie er gegen die Muslime wettert und sein christliches Heilsreich Deutschland in Gefahr sieht, müsste der aber praktisch sogar das Kopftuch für den Mann fordern: Das würde ihm später sicherlich die Einführung eines anderen Stigmas ersparen, mit dem sich diese un-leitkulturellen Leute selektieren lassen. Tja, im Alter soll ja manchmal die geistige Schärfe etwas nachlassen.

Und so kommt gleich noch ein tolles Argument gegen Muslime zum Tragen: Die sollen doch in Deutschland froh sein, dass sie hier die Religionsfreiheit (aus-) nutzen dürfen – Christen in muslimischen Ländern hätten nicht solche Freiheiten. Zwischen den Zeilen heißt das: "Wenn es euch hier nicht passt, verschwindet einfach!" Mit dieser "Sippenhaft" versucht das rechtspopulistische Geschmeiß dann zu rechtfertigen, was im Grunde auf eine Diskriminierung andersgläubiger Menschen hinausläuft. Was also dahinter steckt, ist nichts weiter als das, was auch jeder Dorf-Fascho am Stammtisch gröhlen würde: Nur halt "netter" verpackt. Prima, Herr Baring! Super Herr Bosbach! So kapiert's auch der "Intellektuelle", der sich beruhigt eines Gedankengutes angenähert wissen darf, was nach außen hin natürlich nichts mehr mit "Rechts" zu tun hat. Oder etwa doch? Stellen "wir" uns mal den folgenden Aussagen:
  • 'Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.'

  • 'Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.'

  • 'Es sollte besser gar keine Muslime in Deutschland geben.'

  • 'Muslimen sollte jede Form der Religionsausübung in Deutschland untersagt werden.'

  • 'Für mich sind die verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen kaum zu unterscheiden.'

  • 'Die Mehrheit der Muslime hält große Distanz zur restlichen Bevölkerung.'

  • 'Viele Muslime in Deutschland wollen lieber unter sich bleiben.'

  • 'Die islamistischen Terroristen finden starken Rückhalt bei den Muslimen.'

  • 'Ich hätte Probleme in eine Gegend zu ziehen, in der viele Moslems leben.'

  • 'Ich werde nur solche Parteien wählen, die gegen den weiteren Zuzug von Moslems sind.'
Quelle: Fragekatalog nach Heitmeyer, Wikipedia (2007).
Wer hier zum Teil zustimmend nickt, ist natürlich kein Rechtsextremer. Er ist nur islamophobisch veranlagt. Islamophobie heißt "Islamangst". Naja, im Kontext würde das eher mit Islamfeindlichkeit gleichgesetzt. Aber als "feindlich" oder "ängstlich" würden sich wohl weder der Baring, noch der Bosbach einordnen. Tatsache ist aber, dass sie Islamophobie anheizen, was es im Grunde auch nicht viel besser macht!

Wehret den Anfängen, mag mensch sich da denken. Vermutlich ist es dafür aber schon längst zu spät. Jedenfalls sind wir heute so weit, dass rechte Populisten ungeniert ihre geistigen Ausdünstungen im öffentlich rechtlichen Fernsehen entsorgen können. Das ist in einer Demokratie auch nicht verwerflich, denn jedeR soll denken und sagen, was er/sie will. Dass ihnen dabei aber nicht in gebotener Weise und vor allem couragiert etwas entgegengesetzt wird, das ist ein Armutszeugnis!

Anmerkungen
[*] Dass es bei Barings Lobpreisung des Judentums auch wieder um "Unterordnung" ging, sei hier nur am Rande erwähnt. Als Jude wäre ich mir jedenfalls ziemlich veralbert vorgekommen, auf diesen "Unterordnungs"- bzw. Anpassungsaspekt reduziert zu werden! Der "instrumentelle" Charakter dieses Arguments von Baring kommt aber auch hier deutlich zum Ausdruck.

Links
"Bombenbauer in Nachbars Garage -
wie gefährlich sind die Glaubenskrieger?", Seite zur Themensendung "Hart aber fair" (WDR).

Wikipedia (2007), Islamophobie, Stand: 27.09.2007.


Bahnpreis-Strategie?

Soso, die Bahn möchte nun also ihre Preise erhöhen? Natürlich ist das eine Sauerei, mag die Leserin denken. Und entsprechend laut und "fürsorglich" sind auch die Parteien, die darin eine gar schreckliche Unverfrorenheit sehen: Schon das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Preise angehoben werden.

Lauthals kommt so auch Onkel Bütti, die Fleischwerdung eines nicht über die Straße getragenen grünen Breitmaulfrosches, daher und meint, das sich die Bahn das nur erlauben könne, weil sie ein Monopol hätte. Ähnlich, NATÜRLICH, die FDP.

Dass der Bund, in Form der Leipziger Fluchtschnake Tiefensee, einer Preiserhöhung einfach so zusieht, obwohl doch der "Staat" zu großen Teilen momentan praktisch (noch) die Hand auf der Bahn hat, das ist schon ein starkes Stück. Und genau das kritisieren die Medien auch, zumindest teilweise. Was sich hier zusammenbraut, scheint also oberflächlich betrachtet die Dummheit des Bundes und die Dreistigkeit der Bahn, besser gesagt die von ihrem Chef Mehdorn, zu sein.

Aber halt mal? Was bedeutet "Monopol" überhaupt? Heißt das nicht, dass es nur einen Anbieter gibt, der dann auch noch die Preise nach eigenen Gutdünken anheben kann? Mal überlegen: Was könnte dagegen helfen? Richtig: Privatisierung und Liberalisierung. Hey, war da nicht kürzlich etwas?

Richtig: Die Privatisierung der Bahn. Und wenn ich es mir aus diesem Blickwinkel betrachte, dann scheint hinter der Preiserhöhung und der "Duldsamkeit" unseres lieben Bundes Methode zu stecken. Soll dem Bürger somit der Bahnverkauf vielleicht "schmackhafter" gemacht werden? Die "böse" Bahn macht sich also noch "böser", um so deutlicher zu zeigen, dass Liberalisierung usw. das gebotene Mittel der Zeit ist. Es spricht nicht sehr viel für unsere "journalistische Elite", dass die genau das nicht gründlich hinterfragt und eher sogar noch auf den Zug aufzuspringen scheint.

Links
Politiker kritisieren Erhöhung der Bahnpreise (FAZnet)
Widerstand gegen Bahnpreiserhöhung (FOCUS-Online)
Bahn verärgert Kunden (FR)

Mittwoch, 26. September 2007

Terrorfakes?

Kennt jemand noch diese Schlagzeilen?

Die Terror-Attentäter von Oberschledorn und der vereitelte Anschlag waren also vor Wochen in praktisch aller Munde. Schlagworte wie "Online-Durchsuchung" suchten in geradezu inflationärer Weise die Medien auf. Unser amtierender Innenminister Schäuble verstrickte sich immer mehr in seinen Äußerungen, die ihm den Vorwurf der Panikmache einbrachten. Aber nicht nur er schien diese Hysterie anzuheizen: So berichtete die Welt am 8. September von "Schwere Pannen bei Terror-Zugriff" und meinte, dass der Fahndungserfolg zum Teil nur eine Glücksache gewesen sei.

Bei diesem ganzen Tohuwabohu sind scheinbar aber ein paar kritische Töne untergegangen. So schrieb Karl Weiss, seines Zeichens Chemiker, bereits am 10. September in der Berliner Umschau:

"Als Chemiker muss man sich denn doch wundern, mit welcher Unbekümmertheit BKA, Staatsanwaltschaft, Innenministerium und Landes-Innenminister vermutlich freche Lügen verbreiten. Mit Wasserstoffperoxid, auch in der konzentrierten Lösung, kann ein 'Möchte-Gern-Terrorist' keinesfalls einen handhabbaren funktionierenden Sprengstoff herstellen! [...]

Der Sprengstoff Acetonperoxid, der immer wieder in den Behauptungen von Offiziellen im Zusammenhang mit Terrorismus auftaucht, ist absolut unbrauchbar als Terror-Sprengstoff. Es gibt bis heute keinen Hinweis, dass er schon einmal bei einem Terroranschlag verwendet wurde. Die Londoner Anschläge vom 7.Juli 2005 wurden zunächst von Scotland Yard mit Acetonperoxid in Verbindung gebracht, aber als es später angebracht erschien, die „vier britischen Jungs“ als Alleintäter ohne Hinterleute hinzustellen, verschwand die These vom Acetonperoxid von der Bildfläche. [...]

Bis heute konnte man keinem der angeblichen Terroristen in England genügend nachweisen, um überhaupt vor Gericht gestellt zu werden. Am Ende werden sie wahrscheinlich unter einem Generalparagraphen wie „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ oder ähnlichem abgeurteilt, die man immer anwendet, wenn man keine konkreten Taten nachweisen kann."

Quelle: Weiss (2007).
Spöttisch fasste Jürgen Elsässer die Ungereimtheiten dieses Falles im Freitag vom 19.09.2007 mit folgenden Worten zusammen:
"Die angeblichen Superterroristen von Oberschledorn legten quer durch die Republik eine Fährte so breit wie eine Elefantenspur. Völlig unklar bleibt, warum angeblich mehrere hundert Beamte über sechs Monate mit ihrer Überwachung beschäftigt waren. Das Islamisten-Trio verhielt sich dermaßen exhibitionistisch, dass einige Streifenwagen mit Dorfpolizisten vollauf genügt hätten."

Im Folgenden wundert sich Elsässer darüber, dass die "Terroristen" trotz einer Durchsuchung bei einem nahen Bekannten aus Bremen einfach weiter machten. Mehr noch, offenbar muss das Trio davon Wind bekommen haben, observiert zu werden: Elsässer berichtet, wie die Drei einmal bei roter Ampel aus ihrem Auto stiegen und die Reifen ihrer "Verfolger" zerstachen. Auch die Wahl des Kleinstädtchens Oberschledorn als "Hauptquartier" ruft bei Elsässer Skepsis hervor. Weiter schreibt Elsässer:
"Zur Auflösung all dieser Merkwürdigkeiten gibt es drei Theorien. Entweder die Truppe war zu blöd, ihre kriminelle Energie zielführend einzusetzen. Oder sie wollte durch ihr auffälliges Agieren die Sicherheitsbehörden von anderen Terrorzellen ablenken, die in der Zwischenzeit unbehelligt ihre eigenen Planungen weitertreiben konnten. Oder die drei fühlten sich vor Verhaftung geschützt, weil sie im Auftrag irgendeines Geheimdienstes handelten und glaubten, Protektion von höchster Stelle zu genießen."

Am Ende hebt er noch einen Hinweis des Spiegels hervor, wonach einer der Terror-Verdächtigen mit einer in Ulm als V-Mann für den Verfassungsschutz tätigen Person kontakt gehabt haben muss. Sichtlich verärgert über die ganzen Ungereimtheiten und unrichtigen Aussagen der Behörden schließt Karl Weiss seinen Artikel mit den Worten:
"Was sollten aber all diese Lügen? Angst erzeugen, eine Hysterie wecken. Dann würde man rasch die neuen Überwachungsmassnahmen und neuen Gesinnungsstraftaten durchsetzen – und niemand hätte es richtig gemerkt vor lauter Angst vor den bevorstehenden Terroranschlägen.

Es fragt sich wirklich, wer mehr „einen in der Waffel“ hat, die Konvertiten, die nicht bemerkt haben, wie sie von Sicherheitskräften für deren Zwecke missbraucht wurden, oder diese selbst, die uns achtzehn verschiedene Versionen erzählen und glauben, wir würden es nicht bemerken. "

Quelle: Weiss (2007).
Schlussbemerkung
Ich habe keine Ahnung, was an den Widersprüchen wirklich dran ist. Offenbar gibt es welche, aber die Massenmedien berichteten jedenfalls nicht jener akribischen Art darüber, wie sie es zu der "Verhinderung des Anschlages" taten. Das ist leider (!) sehr ärgerlich. Dumm ist allerdings auch, dass die Leserin z.B. bei Elsässer über seine Quellen im Dunkeln gelassen wird (Woher hat er die Info von der Reifenstecherei des Trios?). Auf jeden Fall wäre es nicht verkehrt, so im Nachhinein, wenn sich die Wogen etwas geglättet haben, noch einmal ein Auge darauf zu werfen.

Referenzen
Weiss, K. (2007), "Riesige Terroranschläge standen unmittelbar bevor", Berliner Umschau, Stand 26.09.2007.
Elsässer, J. (2007), "Die Rätsel von Oberschledorn", Freitag, Nr. 37, Stand: 26.09.2007.

Dienstag, 25. September 2007

Ämtermarathon

Irgendwie ist das schon verrückt: Da gebe ich heute das neue Wohnungsangebot bei meiner Agentur für Arbeit ab, komme nach Hause und schon liegt mir ein Mahnschreiben meiner Krankenkasse im Briefkasten. Mein Beitrag für August wäre nicht gezahlt worden und nun droht mir das Ruhen der Krankenkassenleistung. Und das, obwohl ich denen schon kurz nach Erhalt meines neuen ALG-2-Bescheides diesen als Kopie vorlegte, worauf diese mich dann wieder als "pflichtversichert" anmelden sollten. Nun rufe ich also bei denen an, die sagen mir wieder, die Arbeitsagentur hätte mich noch nicht angemeldet.

Diese Info hatte ich schon letzte Woche, als ich bei der Agentur die Pferde wegen dieser Wohnungssache scheu machte; deshalb fragte ich gleichzeitig an, wie das mit den mir zustehenden Rückzahlungen der Beiträge aus der freiwilligen Versicherung aussähe (die Agentur muss mich nämlich rückwirkend versichern, weil mit diesem neuen Bescheid eine alte Berechnung zurückgenommen wurde). Also setzte ich jetzt wieder ein Schreiben auf, in dem ich die Agentur jetzt aufforderte, diesen Sachverhalt mit meiner Krankenkasse endlich zu klären, denn ich würde sonst unversichert dastehen. Tja, so düste ich heute schon zum zweiten Mal in die Agentur: Die Dame an der Rezeption meinte dann nur verschmitzt, "Ah, Sie waren heute ja schon mal da. Das sehe ich an Ihrer Nummer – da sind so viele Einsen drin.".

Nun komme ich nach Hause und bin 16.00 Uhr zu einer Wohnungsbesichtigung verabredet – das neue Wohnungsangebot. Wirklich super, für den Preis. Bis Montag soll ich mich entscheiden. "Mist!", denke ich mir, weil ja das Amt bekanntlich sehr langsam reagiert und ich das Angebot für diese Wohnung erst heute abgab. Bis Montag ist das nicht zu schaffen.

Wieder zu Hause, öffne ich den Briefkasten: Drinnen ein Schreiben von der Agentur. Dem Antrag auf Umzug ist stattgegeben, auf meine telefonische Anfragen bzgl. der Rückzahlungen meiner Krankenkassenbeträge sollte ich mich (nochmal!) mit meinem neuen Bescheid bei der Krankenkasse melden. Super: Eine Genehmigung für eine Wohnung, die schon vermietet ist, und wieder der gleiche Hinweis, mich an die Krankenkasse zu wenden. Genau die hatte mich ja am Vormittag an die Agentur verwiesen, weshalb ich ja mein Schreiben aufsetzte.

Nun, ziemlich frustriert, rief ich bei der Arbeitsagentur an, meinte, es liegt eine "kleine" formelle Sache wegen dem Umzug vor, die aber sehr wichtig ist. Die Sachbearbeiterin sah schon das Angebot, welches ich am Morgen abgegeben hatte und teilte mir mit, mensch würde sich telefonisch oder per Mail bei mir melden – auf jeden Fall noch vor Ende dieser Woche. Nach diesem Gespräch kopierte ich mein heutiges Schreiben von der Agentur und wuselte zu meiner Krankenkasse.

Die Bearbeiterin dort erzählte mir nun wiederum erneut, ich wäre von der Agentur nicht als pflichtversichert gemeldet worden. Nun legte ich da zum zweiten Mal den entsprechenden Bescheid vor – mit dem heutigen Schreiben der Agentur, wonach ich mich bei der Krankenkasse melden soll. Irgendwie wirkte die Frau ziemlich verlegen, tippte im Computer herum, rief eine Sachbearbeiterin an, um mir anschließend mitzuteilen, sie hätte die Sache an "die Zentrale" weitergeleitet und ich würde von der nun "eingetragen" werden. Das Ganze nähme aber etwas Zeit in Anspruch, d.h. ich muss gegen Ende der Woche anrufen, ob ich schon "drin" bin (im System). Um die Zahlung für den August käme ich – insbesondere wegen der Kürze der Zeit – nicht herum. Aber ich würde die Beträge natürlich wieder zurückbezahlt bekommen. Toll, die etwas über 120 Euro sind aber erstmal weg. Die Mahngebühren werde ich aber auf jeden Fall nicht überweisen! Wäre ja noch schöner: Dafür, dass dieser blöde Verein rumschlampt, zahle ich doch keinen Bonus.

Abermals zu Hause angekommen und meinen Antrag auf "Fortzahlung der Leistung" (ALG 2) stellend, klingelt mein Mobiltelefon: Dran ist mein Sachbearbeiter von der Agentur, das mit dem neuen Wohnungsangebot ginge in Ordnung; ich solle nur bitte meinen Antrag auf Fortzahlung noch vor Ende des Monats abgeben. Schön, dass ich gerade daran saß. Und irgendwie komisch, wie "unkompliziert" das auf einmal ging.

Nächsten Monat werde ich dann also in eine schöne 2-Raumwohnung ziehen. Ärgerlich bleibt aber dieser blöde Stress mit der Krankenkasse (von der ich in Sachen Bearbeitung immer eine recht positive Meinung hatte).

Die Weisheit am Ende dieses chaosreichen Tages: Offenbar muss mensch den Leuten immer ziemlich dolle auf's Schwein gehen. Schön, dass mensch als Arbeitsloser so viel Zeit dazu hat.

KrAutism?

So blöd kann ja wohl auch nur ich sein: Nenne diesen Blog etwas extravagant KrAutism, ohne auch nur zu erklären, was damit eigentlich gemeint sei.

Also: Es ist ein kleines mehrdeutiges Wortspiel. Einerseits nehme ich mich damit als "Kraut" auf die Schippe. Dann sind ja die "Krauts" sowieso auch etwas "eigentümlich", was der restlichen Weltbevölkerung natürlich ein enormes Maß an Toleranz abverlangt. "Autism" soll das Ganze noch etwas verstärken: Da ist ein "Kraut", der mit seiner (vielleicht ganz) eigenen Weltsicht die Dinge betrachtet (Ist das nicht auch nochmal typisch "Kraut"?).

Das also ist mit KrAutism gemeint.

Montag, 24. September 2007

Serj mit neuem Album: "Wählt die Toten!"


Quelle: Rollingstone.com
Da zappe ich gestern so gedankenlos bei einem großen Musiksender hinein und komme in den Genuss eines Videos, in dem eine Menge Kinder "Krieg" spielen und ein Typ mit Zylinder – wie ein Zirkusdirektor – herumsingt. Der "Typ" war natürlich kein anderer als Serj Tankian von System Of a Down (SOAD) – optisch mal wieder wie zu "Toxicity"-Zeiten. Gut, der Song ist vielleicht nicht ganz so hart, haut aber trotzdem rein. Und ein neues SOAD-Album ist doch auch etwas., dachte ich mir. Dabei klärte sich Letzteres als kleiner Irrtum auf: Nicht SOAD bringen ein neues Album heraus, sondern es ist ein Soloalbum des sympathischen Herrn Tankian. "Elect the Dead" heißt es, bedeutet in etwa "Wähl die Toten!" und kommt im Oktober (laut Rollingstone.com soll es am 23. Oktober veröffentlicht sein, Amazon Deutschland meint dagegen, dass es am 19. Oktober raus wäre).

Wenn die Songs so sind, wie das Video zu "Emty Walls" vermuten lässt, dann kann das ein schönes und vor allem politisches Album werden. Außerdem: Wenn mensch den Aussagen von Laut.de glauben darf, möchte Serj für jeden Song seines Albums einen namhaften Bandvideo-Regisseur mit freier Hand agieren lassen. Die Videos gibt es dann auf Serj's Homepage. Ob das wirklich so umgesetzt, wird mensch sehen müssen. Zutrauen tu ich's dem Serj auf jedem Fall. Kurz: Ich freu' mich drauf.

Links
Serj Tankian: Ein Video zu jedem Song (Laut.de)
Serj Tankian bei Rollingstones.com
Serj bei Myspace
Offizielle Seite von Serj
Serj Tankian (Wikipedia)
System of a Down (Wikipedia)

Umzug und Ämterchaos

Ja, mit der Argeitsgemeinschaft kann mensch was erleben: Aufgrund einer nicht ganz einwandfreien Berechnung meiner Arbeitsagentur, gegen die mittlerweile auch eine Klage vor dem Sozialgericht läuft, hätte ich wegen einem kleinen Nebenjob ab diesem Monat "zu viel" verdient und deshalb als Leistungsempfänger rausfallen müssen. Weil sich verschiedene Sachen aber nun überschneiden, habe ich vorher noch einmal persönlich bei der Arbeitsgemeinschaft vorgesprochen, um auf etwaige Probleme direkt hinzuweisen und auch um ein paar Dinge in Erfahrung zu bringen. Zum Beispiel möchte ich umziehen, habe dafür auch ein Wohnungsangebot bekommen und wollte nun – praktisch aus erster Hand – wissen, ob es diesbezüglich seitens der Arbeitsagentur Probleme gäbe, wenn ich irgendwann mal wieder einen Antrag auf Arbeitslosengeld 2 (ALG 2) stellen müsste.

Das Wohnungsangebot selbst wäre soweit in Ordnung, versicherte mir der Sachbearbeiter. Allerdings eröffnete er mir noch eine "unbequeme" Nachricht: Meine Arbeitsagentur hat mich diesen Monat "vorsorglich" noch als Leistungsempfänger registriert – sie wisse nämlich nicht, ob ich diesen Monat schon Geld von meinem Arbeitgeber bekomme. Deshalb unterstehe ich also noch der Agentur und müsste daher einen Antrag auf Umzug stellen, da sonst Konsequenzen drohen, würde ich in eine "unangemessene" – d.h. von der Agentur nicht bewilligte – Wohnung ziehen.

Ziemlich ärgerlich, denn wäre ich aus der Leistung herausgefallen, hätte ich keinen Antrag stellen müssen. Da war ich nun so frei, denen Ende letzten Monats eine Änderungsmitteilung mit Arbeitsvertrag zu geben (beides hatte der Sachbearbeiter auch auf dem Tisch liegen), aus der klipp und klar hervor geht, dass ich diesen Monat mein Gehalt beziehe, und die meinen dann einfach, mich aus "vorsorglichen Gründen" noch behalten zu wollen. Erst sind die so knausrig und liefern mir mit einer mangelhaften Berechnung den Grund für eine Klage vor dem Sozialgericht, und nun wollen die mich nicht mehr los lassen! Ich meine, mein Arbeitgeber ist nicht irgendein von der Konjunktur abhängiges Kleinstunternehmen, sondern immerhin eine öffentliche Einrichtung (Uni), die vom Land Sachsen bezahlt wird!!

Aber gut, es mag vielleicht seine Berechtigung haben. Frustrierend ist aber, dass durch diese Antragsstellerei Zeit verloren geht. Das Wohnungsangebot, welches ich meinem Antrag auf Umzug beilegte, hat letzte Woche ein anderer in Anspruch genommen. "Wer als erstes da ist, der malt auch zu erst.", meinte der Vermieter. Nun läuft also ein Antrag für einen Umzug in eine Wohung, die es nicht mehr gibt. Super! Heute habe nun ein anderes Angebot bekommen, praktisch "um die Ecke" des alten Wohnungsangebotes und zu den gleichen Konditionen (Größe, Kaltmiete und Nebenkosten). Mal sehen, was die Agentur dazu sagt. Ich hoffe jedenfalls, dass ich endlich mal "Glück" habe und sich mir dort keiner quer stellt.

Sonntag, 23. September 2007

The Good German


Quelle: film-zeit.de
Der spätere Samstag Abend gestern schien mal wieder etwas langweilig zu werden, so dass ich den gewohnten Gang in die Videothek antrat. Ich hatte schon eine dieser skandinavischen Kommödie in der Hand als sich plötzlich "The Good German" in meinen Blick schob, welcher zudem auch noch nicht ausgeliehen war. Tja, kurzer Hand orientierte ich mich um: Von der schwarzhumorigen Kommödie zum Schwarz-Weiß-Film. Wieder zu Hause, kamen leichte Zweifel an meiner Entscheidung auf, weil ich mich ja ursprünglich mit etwas Kurzweiligem ablenken wollte. Und so ging ich mit einem leicht negativen Gefühl an diesen Film heran.

Die ersten Minuten, wie Herr Clooney da aus dem Flugzeug steigt, Tobey Maguire und Cate Blanchett ihre ersten Auftritte haben, waren dann auch nicht wirklich spektakulär. Irgendwie musste ich dann an SIN CITY denken und versuchte bei "The Good German" die entsprechende Sterilität in den Bildern zu entdecken. Und genau das fand ich so nicht. Klar, "nachgemachte" Schwarz-Weiß-Szenen der Jetztzeit sehen i.d.R. "sauberer" aus und davon kann sich "The Good German" auch nicht gänzlich frei sprechen. Aber trotzdem empfand ich es sehr angenehm, wie reelle Szenen dieser unmittelbaren Nachkriegszeit in den Film überflossen, ohne, dass es wirklich einen Bruch gab. Auch schien mir versucht worden zu sein, dieses "alte Flair" nachzuempfinden, wenn z.B. Jake (Clooney) in der Bar sitzt und dort das Licht förmlich gleißend das Bild dominiert.

Inhaltlich geht es um einen gewissen Emil Brandt, von dem seine Frau Lena (Cate Blanchett) behauptet, er wäre tot, hinter dem aber sämtliche Alliierten her sind. Just diese Lena hatte damals eine Affaire mit Jake, der nun wieder nach Deutschland kommt, um sie wiederzusehen. Dabei verstrickt er sich mehr und mehr in das Politikspiel der Alliierten, bei dem die Entnazifizierung dann ruhig hinter dem aufkommenden Kalten Krieg zurückstehen darf. Wird auf der politischen Ebene deutlich gezeigt, dass jeder eine dreckige Weste besitzt, so spiegelt sich genau dieser Umstand auch auf der persönlichen Charakterebene wieder. Kein Charakter ist wirklich korrekt oder "heldenhaft". Weder Tully (Tobey Maguire), ein Schieber und praktisch auch ein Zuhälter, noch Lena, die sich nach und nach als verbitterte und gebrochene Frau entpuppt. Jake scheint mir dabei noch am "ehrlichsten", aber in gewisser Weise auch eine besonders tragische Figur zu sein: Angetrieben durch seine Liebe zu Lena, schlägt ihm immer wieder die kalte und eigentlich deutlich abweisende Art dieser Frau entgegen, was ihm eigentlich alle Illussionen nehmen sollte. Er aber macht trotzdem weiter und hilft ihr. Ein wirkliches Happy End ist daher nicht zu erwarten. Und das kennt der Film auch nicht, was meiner Meinung nach gut ist, denn so folgt er dem schwarzen und fiesen Unterton, welchen er die gesamte Zeit über pflegte. Trotzdem befällt einen am Schluss ein wenig Erleichterung, auch oder gerade weil Jake eine ganz bestimmte ungeschönte Wahrheit ins Gesicht gedrückt wird.

Fazit
Der Film ist vielleicht nicht das allergrößte Meisterwerk. Aber wie er mit dem Schwarz-Weiß spielt und damit seine kontinuierlichen ernsten und deprimierenden Untertöne unterstreicht, empfand ich sehr interessant. Zudem verleiht diese schwarze Atmosphäre der Szenerie des chaotischen Nachkriegsberlin, in dem der Film spielt, eine besondere Glaubwürdigkeit. Glaubwürdig ist der Film in dem, wie er die indurstrielle Menschenvernichtung der Nazis zwar angspricht, diese aber in den militärpolitischen Kontext der Siegermächte stellt. Geschickt verwebt er damit die gegensätzlichen Pole von Aufarbeitung (der Naziverbrechen) und machtpolitischen (Nachkriegs-) Interessen. Provokant, wie er auf der Charakterebene aus Opfern Täter macht und dies wiederum in diesen größeren politischen Kontext bringt. Wie gesagt: Großartig ist der Film vielleicht nicht und mit seinen "Enthüllungen" vor dem Zuschauer ist er sehr gemächlich, doch der Stoff ist interessant (von ihm lebt der Film) und der Film ist konsequent.

Links
The Good German (Wikipedia)
The Good German (Internet Movie Database)


Samstag, 22. September 2007

Bahnverkauf und Megalomanie?

Den Ärger um die Leipziger Stadtwerke und den megalomanischen City-Tunnel vermutlich ahnend, setzte sich Tiefensee, der Mann für's besonders Geschäftliche, nach Berlin ab, wo er – für die sächsische Provinz unerreichbar – nun erneut ein gigantisches Projekt "beaufsichtigen" darf: Die Privatisierung und "Aktienwerdung" der Bahn. Insofern scheint der Mann wenigstens so klug zu sein, sich nicht auf solch einen Mist wie diese jämmerliche LKW-Maut einzulassen. Hätte er da auf so eine illustres Unternehmen wie Tollcollect eingehen müssen, darf er sich angesichts anonymer Anleger sicherlich zurücklehnen: Wer will ihm zum Vorwurf machen, WER dort anlegt, wenn er diesen Jemand gar nicht kennen kann? Und im Gegensatz zu Tollcollect, wo eine "Leistung" erbracht werden sollte, liefert ja ein "Aktionär" seine Leistung im Voraus, in der Hoffnung, eine Gegenleistung zu bekommen.

Daran, dass sich dadurch etwas verbessert, glaube ich persönlich nicht. Wer ab und an mit der Bahn fährt, weiß, dass dies verdammt teuer ist und zudem auch weniger servicefreundlich, wie es eigentlich sein sollte. Dass eine Privatisierung Vorteile bringt, ist angesichts dieser Branche eigentlich auch nicht zwingend. Volkswirtschaftlich gesehen müssen dort enorme Investitionen getätigt werden, z.B. für den Ausbau und die Wartung des Schienennetzes. Wie stark die Privatisierungseuphorie genau diesen Aspekt außer Acht lässt, zeigte sich schon anhand des Streits um die Telekom mit ihren "Netzgebühren": Verständlicherweise wollte sie nicht zulassen, dass sich Fremdanbieter auf den eigenen "Kommunikationsschienen" kostenlos austoben und dadurch Finanzen (Investitionen) sparen. Das Ausweichen auf "Mobilfunknetze", die möglicherweise etwas günstiger in der Installation und Wartung sein mögen, ist bei der Bahn aber nicht möglich. Bahn bleibt eben Bahn und die benötigt Schienen, die geplant, genehmigt, verlegt und gewartet werden müssen. Da führt kein Weg dran vorbei. Also "billiger" wird das aus meiner Sicht nicht.

Links
Bahn-Privatisierung rückt wieder näher (LVZ)
Missbrauch und Furcht (Kommentar, LVZ)

Freitag, 21. September 2007

Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir niemand!

General Münte, die SPD-Tante für besonders schlechte Nachrichten, hat mal wieder zugeschlagen. Der Anlass: Die Kinderarmut in Deutschland. Wer in letzter Zeit die kontinuierlichen Meldungen über Kinderarmut und Hartz-IV verfolgte, der wird sich über die Wichtigkeit dieses Themas kaum wundern. Höchstens über Münte, denn der kommt zu fast schon defensiv-verteidigenden Schlussfolgerungen: Schuld sind vor allem die Eltern. Kinderarmut wäre nicht an der Höhe von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld 2 festzumachen. Klingt ein wenig nach „Eigenverantwortung“ und nach CDU? Stimmt, ist auch so. Die SPD-Tante hat hier mal wieder ihr soziales Gewissen kräftig zur Ader gelassen. Und zwar in geradezu zynischer Art und Weise!

Denn war es nicht die SPD, welche Hartz-IV einführte und damit auch noch Unterschiede zwischen Ost und West in der bertraglich unterschiedlichen Höhe zur Lebenshaltung zementierte? Wenn Münte nun meint, das Geld ja nicht alles sei, muss er sich schon fragen lassen, warum er zum Beispiel DIESEN Unterschied damals zulies. Außerdem: Im August diesen Jahres monierte das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Bonn, dass im Zuge der Hartz-IV-Gesetze pro Kind etwa 3,42 Euro für die Ernährung zur Verfügung stehen, obwohl für eine ausgewogene Ernährung zwischen 4,68 Euro (Discounter) und 7,44 Euro (Supermarkt) notwendig wären. In der Pressemitteilung der Universität Bonn heißt es zu dieser Studie:
„'Für Empfänger von Arbeitslosengeld II ist es kaum möglich, ihre Kinder ausgewogen und gesund zu ernähren' [...] Das FKE empfiehlt daher, die aktuellen Regelsätze für Kinder und Jugendliche zu überdenken“.
Um es klar zu stellen: Sicherlich haben Eltern eine Verantwortung und diese kann ihnen auch keiner abnehmen. Aber wenn Münte jetzt alle Schuld von sich und seiner Partei sowie der Regierung weist, die Verantwortung offenbar allein den Eltern zuschiebt, was ist dann bitteschön an diesem Kerl, an der SPD, noch sozial? Wie autistisch ist diese SPD-Tante denn, wenn sie ganz offensichtlich sämtliches Wehklagen über die vor allem materielle Armut ignoriert? Angefangen vom „hauseigenen“ Armuts- und Reichtumsbericht, über die Äußerungen diverser Sozialverbände bis hin zu oben benannter Studie sind doch reale Phänomene beschrieben, die zumindest einmal zum Nachdenken anregen sollten. Doch da bedient Münte tenendziell lieber die gleichen Vorurteile wie sein Vorgänger Clements, der in seiner unnachahmlich sozialen Art den gemeinen Hartz-IV-Empfänger mal einfach zum Sozialschmarotzer deklarierte. In der SPD längst ein Schick, dem sich auch SPD-Chef Beck annahm, indem er u.a. der Unterschicht einen mangelnden Aufstiegswillen attestierte – nicht zu vergessen das Vermittlungsproblem, welches dieser Chef seinen offensichtlich minderbemittelten Wählern zuschrieb. Naja, die Zeiten ändern sich und deshalb wäre es endlich nötig, dass sich die Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ein neues soziales Credo gibt? Wie wär's mit: „Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir niemand!“.

Links

  1. Müntefering fordert Umdenken (Frankfurter Rundschau).
  2. 2,6 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut (Leipziger Volkszeitung).
  3. „Arbeitslosengeld II reicht nicht für gesunde Kinderernährung“, Universität Bonn (2007), Pressemitteilung vom 01.08.2007.

Donnerstag, 20. September 2007

Factotum

Anfangs dachte ich, bei Factotum würde es sich um einen Thriller handeln, fand dann aber in einer Info zum Film gleich den Namen Chinaski, worauf mir klar war, dass dies nur ein Bukowski-Film sein konnte.

Und wie es sich für einen Bukowski gehört, geht es um Zigaretten, Alkohol, Frauen und Pferdewetten. Chinaski - Alter Ego von Bukowski – ist der personifizierte Müßiggang. Ein moderner Sisyphos, der immer wieder das normale (Arbeits-) Leben vor sich her schiebt und doch wieder davon eingeholt wird. Und gleichzeitig ist auch jender glücklose Glücksritter, der immer knapp am Glück vorbei schrammt.

Schön zu sehen auch ein Matt Dillon, der dem Bukowski optisch schon recht nahe kommt und einen wunderbar schnoddrig-unentschlossenen Chinaski mimt. Auch Lili Taylor - die vielleicht als Hippie-Freak aus 'Six Feet Under' bekannt ist (obwohl die nette Frau eine ganze Stange an Filmen/Serien aufweisen kann) - war super und mimte das weibliche Spiegelbild zu Chinaski.

Insgesamt ein sehr schöner Film, der nebenbei wohl eine der besten Liebesgeschichten erzählt, die es je im Kino gab. Großes Kino? Nein! Aber großartiges Kino. :)

Links
http://www.factotum-film.de
http://www.filmz.de/

The Devil's Rejects - Rob Zombies Kill Bill 2

Ein vermummter Hüne schlurft über den staubigen Boden eines eher lichten Dickichts - mit einer nackten Frauenleiche im Schlepptau. Mehrere Polizeiautos preschen über eine Ranch - wirbeln Staub auf. Sonnenstrahlen schlagen sich ihren Weg durch die stickigen Ausdünstungen eines Schlafzimmers, in dem ein bärtiger Langhaariger friedlich und lieblich neben einem sichtbar toten und nackten Frauenleib liegt. Es kommt zu einer Schießerei. Eine Person wird festgenommen. Zwei Personen fliehen - ein Flüchtling ist der bärtige Langhaarige.

So in etwa der Auftakt zu "The Devil's Rejects" (TDR), der Fortsetzung von Rob Zombies "Haus der 1000 Leichen". Der Inhalt ist kurz erzählt: Das Schlachthaus der Familie Firefly wird ausgehoben. Fortan sind Babe und Otis Firefly samt Cpt. Spauldings auf der Flucht vor dem sadistischen Sheriff, dessen Bruder sie eher weniger als mehr auf dem Gewissen haben.

Während der Vorgänger sich noch deutlich des regen Splatterwerks erfreute, ist TDR ein etwas zurückhaltender Roadmovie. Aber meiner Meinung nach um keinen Deut gewaltloser. Die Gewalt spielt sich eher auf einer etwas anderen Ebene ab. Es ist hier etwas mehr der Sadismus und Zynismus sowie die Beiläufigkeit von Gewalt, die einem den Atem stocken lassen. Weniger Schock-Visualität, dafür mehr Schock-Emotion.

Dazwischen ganz banale Szenen und Gespräche - etwa, wenn Babe Firefly ein Eis möchte oder wenn die ganze Bande bei einem befreundeten Zuhälter Zuflucht findet und erstmal in Ruhe chillt. Zombie hat auf diese Weise einen wirklich interessanten Kontrast geschaffen, wodurch die Gewaltszenen deutlich an Intensität gewinnen und sich die gesamte Handlung an Absurdität förmlich zu überfressen scheint. Die Fireflys - eine (fast) normale Familie. Geradezu sympathisch. Just diese Sympathie wird zum Ende hin verstärkt herauf beschworen, wenn die Fireflys auf ihren Peiniger vor der Hölle treffen.

Ein besonderes Augenmerk sei auch auf die Musik gelegt. Die eben beschriebene Absurdität wird vor allem auch durch passende Musikstücke untermalt - fast meisterhaft. Insbesondere die "Chill-Szene" und das Ende sind mir im Gedächtnis geblieben.

FAZIT

Insgesamt also ein eher ruhiger Film. Im Vergleich zum Vorgänger verhält es sich daher ähnlich wie bei Kill Bill. So richtig vergleichbar sind die beiden Teile nicht. "Das Haus der 1000 Leichen" war Splatter. "The Devil's Rejects" ist ein Roadmovie und wirkt irgendwie "erwachsen" - sofern mensch das von einem Film dieses Splattergenres behaupten kann ;) . Allein die Tatsache, dass Rob Zombie mit Cpt. Spauldings den wohl bösartigsten und bissigsten Clown geschaffen hat, den die Kinowelt bisher erleben durfte, dürfte diesen Film zum Pflichtprogramm für alle nicht zu zart besaitete Personen machen. Ich persönlich fand ihn klasse.