Freitag, 3. Februar 2017

Police Beat

Ich habe mal wieder einen Fehler gemacht und mir so eine Quasselrunde angeschaut. Dieses Mal Maischberger zu „Polizisten – Prügelknaben der Nation?“. Die Frage war natürlich rhetorisch, denn von der Zusammenstellung der „Gäste“ her war eigentlich eher ein „Ja“ mit entsprechend inhaltlicher Stoßrichtung zu erwarten: Kein Respekt vor der Polizei *mimimi*, früher hätte es das nicht gegeben *mimimi* usw. usf.

Der eigentlich „Clou“ war, Richter Thomas Fischer einzuladen und ihn dann auch noch neben Rainer Wendt zu platzieren: Wer Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) nicht kennt, sollte mal die Kolumne von Fischer in der ZEIT lesen, in der Fischer im Grunde alles Nötige zu Wendt und seinem Buch „Deutschland in Gefahr“ geschrieben hat (Rainer Wendt: Polizist am Abgrund). Wer erwartete, dass sich Fischer und Wendt an die Gurgel gehen – was wohl in der Dramaturgie der Sendung beabsichtigt war –, musste sich allerdings enttäuschen lassen.

Gleichwohl durfte sich das Publikum jenseits rechter Ideologien reiflich die Haare raufen. Da sollte z.B. die Meinung bekräftigt werden, Videoüberwachung würde die Hemmschwelle von Straftaten senken und ein Gefühl der Sicherheit steigern. Dabei ist mittlerweile bekannt, dass die Videoüberwachung die Straftaten nicht unbedingt senkt und sich die Aufklärungsquote auch in Grenzen hält (z.B. ZEIT und Deutschlandfunk). Toll auch dieser junge Ex-Polizist, der das Lied vom mangelnden Respekt anstimmte. Da heulte er dann über das ACAB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts rum. Tja, wo das Argument schwächelt, wird dann eher nach der staatlich verordneten Autorität gerufen. Basta. Gleichzeitig war's auch ein beredtes Zeugnis, wie ernst unsere Freiheitsrechte - in dem ACAB-Fall das Recht auf freie Meinungsäußerung - genommen werden. Und solche Leute sollen uns und unsere Verfassung schützen. Gute Nacht!!!

Und damit bin ich bei einem leidigen Thema, das hinsichtlich „Respekt vor der Polizei“ doch eine sehr wichtige Rolle spielt, aber nicht wirklich angesprochen wurde. Es ist ja nicht so, dass dort alles zum Besten bestellt ist. Erinnert sei an das Thema „Gewalt und Polizei“ (Correctiv) und „Racial Profiling“ (Correctiv). Beängstigend sind auch die Zustände in Sachsen: Diese reichen von der rechtswidrigen massenhaften Handyüberwachung (Telepolis, Netzpolitik.org) bis zur Nähe zwischen Polizei und rechten Gedankenträgerinnen und Gedankenträgern, wo es auch von Geheimnisverrat die Rede ist (Welt) – aktuell z. B. bezogen auf die Gruppe Freital (ZEIT). Wer nun aber denkt, dass es nur in Sachsen Ärger gibt, der oder die liegt falsch: In Franken wird auch wegen Geheimnisverrats - diesmal an „Reichsbürger“ - ermittelt (ZEIT); in Sachsen-Anhalts gibt's Korruptionsverdacht (MZ) und in Brandenburg gab’s zwei Suspendierungen aufgrund der Nähe zum rechten Umfeld (MAZ-Online). Gerade wer – wie ich – aus Sachsen kommt und angesichts der NSU-Geschichten (mensch denke u.a. an den tollen Begriff „Dönermorde“), darf zu Recht den Eindruck haben, dass es das eine oder andere Problem mit dem „rechten“ Auge gibt und dies leider nicht nur Einzelfälle betrifft. Dummerweise will das aber niemand wirklich hören und somit untersuchen (ZEIT).

Die deutsche Geschichte sollte eigentlich sensibel genug dafür sein lassen, dass es strukturelle Probleme hinsichtlich Autorität, Gewalt usw. in der Polizei geben kann. Auch international lassen sich viele Beispiele finden, die Gründe an die Hand geben, darüber nachzudenken (Polizei und Rassismus in den USA, historisch der Stonewall-Aufstand und der G8-Gipfel in Genua).

Also alles in Ordnung? Beileibe nicht. Ganz und gar nicht. Aber davon war keine Rede. In keinster Weise. Noch nicht mal der Anflug eines Gedankens darüber, dass der Titel "Prügelknaben der Nation" vielleicht auch ganz anders verstanden werden kann (als es von der Redaktion der Sendung intendiert war).

Aus dem Grunde ein entsprechend rotzig, wütender Protest-Song für die Endlosschlaufe zum Rumhotten als Song des Tages: „Police Beat“, ursprünglich von SS Decontrol, in der Version von den Mighty Mighty Bosstones.



Police pick me out of the crowd, cause I dress different, act real loud.
Police, Police
There's no questions asked,
They just wanna kick my ass.
Police beat me,
Police kick me,
Police chase me,
Police mace me,
Police cuff me,
Police rough me
Just to show how tough they be
Police Police Police brutality, why won't they just let me be?
Police Police.


(Update, 4.3.2017, 14.23 Uhr - inhaltliche Korrektur: der Korruptionsverdacht bezog sich natürlich nicht auf Sachsen, sondern Sachsen-Anhalt; sowie stilistische Änderungen.)

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