Sonntag, 5. Juli 2009

Längerer Artikel-Rücklick: EU, Iran und BND

In den Tageszeitschriften der letzten Wochen gab es wieder einmal ein paar interessante Artikel, auf die ich hier - (kurz) kommentiert - hinweisen möchte.


Inhalt
(1) Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
(2) Geschehnisse im Iran
(3) Aktuelle Terrorwarnung(en)
(4) BND-Untersuchungsausschuss
(5) Neue Wallraff-Reportage

(1) Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes

Den Anfang möchte ich mit dem Urteil aus Karlsruhe machen, in dem das Bundesverfassungsgericht über den Lissabonner Vertrag entschied. Auf den NachDenkSeiten ist dieses Urteil vor allem von Wolfgang Lieb ausführlich kommentiert worden. Zudem ist in seinem Kommentar u.a. die Langversion der Urteilsbegründung verlinkt. Das Wichtige an diesem Urteil ist, dass das Bundesverfassungsgericht den Vertrag zu Lissabon für rechtens erklärte, gleichzeitig aber für zukünftige Gesetze, in denen Europäisches Recht das deutsche Recht tangiert, mehr demokratiche Mitbestimmung forderte. Das ist der Grund, warum verschiedene Tageszeitung in diesem Urteil die Stärkung von Bundestag und Bundesrat sahen. Beispielsweise nannte Heribert Prantl von der Süddeutschen dieses Urteil eine "Europäische Sternstunde" und schrieb:
"Ja, wir können Europa stark machen.
Aber wir können das nur dann, wenn wir die Grundsätze der Demokratie beachten, in deren Zentrum der Wille des Volkes steht. Das ist die Botschaft des großen Urteils aus Karlsruhe."

Quelle: "Europäische Sternstunde" (SZ).

Ähnlich der "Spiegelfechter" Jens Berger, der auf Telepolis von einer "schallende(n) Ohrfeige aus Karlsruhe" schrieb und meinte:
"Das Urteil der obersten Verfassungshüter ist eindeutig und regelt nicht nur Deutschlands Ratifikation der Lissabon-Verträge. Das Urteil stellt vielmehr eine verbindliche Leitlinie für Berlin dar, wie man künftig mit "Europa" gesetzgeberisch zu verfahren hat: Lissabon ist ein Rahmenwerk, das keinen verfassungsähnlichen Charakter hat. Insofern sind die Verträge von Lissabon auch mit der deutschen Verfassung zu vereinbaren. Es darf allerdings keine demokratisch nicht legitimierte Zustimmung Deutschlands zu EU-Gesetzen geben, die die nationale Souveränität betreffen, die Kompetenzen der EU erweitern oder die Abstimmungsmodalitäten ändern.

Diese Zustimmung muss dabei durch die Legislative erfolgen, also durch Bundestag und Bundesrat."

Quelle: "Eine schallende Ohrfeige aus Karlsruhe" (Telepolis).

Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten sah das aber deutlich anders. In seiner Kommentierung beider Artikel schrieb er:
"Ich kann der Begeisterung von Heribert Prantl und von Jens Berger leider nicht folgen. Siehe dazu meinen heutigen Beitrag „Nachtwächter über den Nachtwächterstaat“. Nach allem, was ich bisher gelesen habe, ist eine stärkere demokratische Beteiligung nur dann gefordert, wenn es um die Erweiterungen von Kompetenzen der EU-Organe geht. Die Erwartung, dass nun jeder Richtlinie aus Brüssel zugestimmt werden müsste, halte ich für falsch. Andreas Voßkuhle, Vizepräsident des B undesverfassungsgerichts, fasst das Karlsruher Urteil mit den Worten zusammen: 'Das Grundgesetz sagt ja zu Lissabon, verlangt aber auf nationaler Ebene eine Stärkung der parlamentarischen Integrationsverantwortung'."

Quelle: NachDenkSeiten.

Fast wie eine Antwort auf diese Kritik bemängelte Heribert Prantl von der Süddeutschen in seinem Kommentar vom 03.07.2009 die neue Geschäftsordnung des Bundestages. Mensch mag es kaum für möglich halten, aber diese Schnapsnasen im Bundestag haben tatsächlich verfügt, dass jetzt routinemäßig gar keine Reden mehr gehalten werden müssen, es statt dessen Reicht, die Rede zu Protokoll zu geben. Mit anderen Worten: Statt einer öffentlichen Debatten wird das Stück Papier beim Bundestagspräsidium deponiert, in der "stillen" Hoffung, dass jemand es liest, und dann geht es einfach - ohne Diskussion - zur Abstimmung. Tolle Sache! Für sowas haben wir Volksvertreter|innen!

Wie die Faust auf's Auge passt da natürlich das "Bad Bank"-Gesetz, das durch den "Spiegelfechter" Jens Berger im Freitag vom 03.07.2009 kommentiert wurde: "Müll sucht Eimer". Für jene Leserinnen und Leser, die nicht wissen, was eine "bad bank" ist: In diese "bad banks" können "normale" Banken ihre schlechten Wertpapiere auslagern, so dass die entsprechenden Verlustpapiere nicht mehr in der "hauseigenen" Bilanz stehen und eine womögliche Insolvenz abgewendet ist. Dafür übernimmt "der Staat" dann das Ausfallrisiko solcher schlechten Wertpapiere. Wenn die Erlöse aus diesen Wertpapieren also niedriger ausfallen und ein Verlust eintritt, steht der Staat dafür gerade. Und das kann Folgendes bedeuten:
"Im schlimmsten anzunehmenden Fall könnte der Steuerzahler also auf Ausfällen in dreistelliger Milliardenhöhe sitzen bleiben – unter Umständen mehr als ein kompletter Bundeshaushalt. Dagegen sind die Millionenbeträge, über die im Bundestag sonst bis aufs Blut gestritten wird, Peanuts. Im Gesetzesentwurf steht im Feld „Alternativen“ das Wort „keine“ und das ist es auch, was die Regierung suggerieren will".

Quelle: "Müll sucht Eimer" (Freitag).
Also, um es kurz zusammenzufassen: Da urteilt das Bundesverfassungsgericht in einer Weise, die bei einigen Schreiberlingen euphorisch als Stärkung der Demokratie gefeiert wird, und dann haben unsere Damen und Herren Volksvertreter|innen nichts anderes zu tun, als mal wieder durch Inkompetenz zu glänzen und sich quasi selbst zu sterilisieren. Eine wirklich reife Leistung!


(2) Geschehnisse im Iran

Zum Thema Iran gab es vor nun leider etwas längerer Zeit einen interessanten Artikel von Katajun Amirpur: "Die schweigende Mehrheit" (FR). Kritisch nahm auch Spiegelfechter Jens Berger die Geschehnisse im Iran unter die Lupe: In "Aufstand der Generation Twitter" wies er u.a. darauf hin, dass die derzeitigen Demonstrant|inn|en "tendenziell eher in den Städten zu verorten sind und mehrheitlich den gebildeten und wohlhabenderen Schichten angehören". Nachdem faktisch fest steht, dass die Wahlen im Iran nicht ordnungsgemäß verliefen, gibt es von Jens Berger auch eine Nachbetrachtung der Ereignisse: "Requiem für die Grüne Revolution" (03.07.2009, Spiegelfechter).


(3) Aktuelle Terrorwarnung(en)

Die neusten Äußerungen hinsichtlich möglicher Terrorakte kommentierte Mely Kiyak in der FR: "Liebe Terroristen!". Treffend heißt es dort u.a.
"Das allerabsurdeste aber ist, dass August Hanning nach all dem Gefahrenszenario, das er zeichnete, vor einer Alarmstimmung warnte. Ja, mehr noch, er sagte, dass es keine konkreten Hinweise für einen Anschlag gibt. Wird irgendjemand daraus klug? Wahrscheinlich nur ihr Terroristen. Vielleicht sitzt ihr in einer Grube im Sauerland und denkt, Wahnsinn, unsere Propagandazentrale im BMI funktioniert prima. Wir schicken ein Video, verbreiten ein paar Gerüchte und, zack, machen sich alle in die Hosen!

Mein Gott, ist das alles abstoßend."

Quelle: "Liebe Terroristen!" (FR).

(4) BND-Untersuchungsausschuss

Und wo wir gerade beim Geheimdienst sind. Kann sich noch jemand an den BND-Untersuchungsausschuss erinnern? Nein? Dann wird es Zeit, sich das Resümee von Connie Uschtrin im Freitag zu Gemüte zu führen: "Im Namen der Terrorabwehr" heißt ihr Artikel. Ein Skandal, dass der Skandal ob der ernüchternden Ergebnisse des Ausschusses ausbleiben wird. Der Fall Kurnaz, die aktive Beteiligung am Kriegseinsatz im Irak, die Bespitzelung von Journalisten: Alle diese Themen werden vor der Wahl voraussichtlich keine Rolle mehr spielen (sollen).

(5) Neue Wallraff-Reportage

Tja und dann gibt es noch eine neue Reportage von "Walli" Wallraff: "Unfeine Küche" (Zeit). Darin geht es um übelste Ausbildungsbedingungen in der Gastronomie. Dazu werde ich noch etwas verfassen, da mir der Artikel quasi die Steilvorlage für einen kleinen - kritischen- Rundumschlag liefert. Aber vorab nur so viel: Es geht um körperliche Misshandlungen, Überstunden usw. usf. ... und darüber, dass dies offenbar einfach so hingenommen wird! In dem Zusammenhang möchte ich auf die Aktion des DGB aus dem Jahre 2005 hinweisen: In sogenannten "Schwarzbuch Ausbildung" veröffentlichte der DGB damals ebenfalls ziemlich üble Situationen, denen Azubis damals ausgesetzt waren.

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