Dienstag, 30. Juni 2009

Arbo spricht über: bewussten Konsum

Mit "Wir sind, was wir essen" gibt es auf Ad-Sinistram einen interessanten Artikel, zu dem ich mal wieder nicht die Klappe halten kann und möchte.

Dem Beitrag selbst könnte ich nämlich in weiten Bereichen zustimmen, denn er spricht doch einige richtige Kritikpunkte an. Wenn, ja wenn er denn nicht so tendenziös wäre, indem er mit solchen alten und typisch abgeschmackten Kampfsprüchen a la "Der Mensch ist eine besondere Art von Raubtier, moralische Fragen hin oder her." aufwartet. Im Grunde eine typisch spaltende (!) Aussage, die ja - bewusst - Vegetarier|innen provoziert. Dabei stören mich, als Vegetarier, natürlich auch am "Vegetariertum" einige Dinge!

Beispielsweise sollte sich niemand etwas vor machen: Die "Veggieszene" ist durchaus ein Spielplatz für Unternehmungen, was im Grunde ja nicht schlecht sein muss, aber sie eben deshalb auch vor den typischen - industriellen - Problemen nicht gefeit bleibt. Vegetariertum ist also mittlerweile ein Lifestyle, ist hip. Was es für Probleme mit den damit zusammenhängenden "Bio-Labels" gibt, war ja nun schon länger in den Zeitschriften thematisiert.

Zweitens ist die in manchen Bereichen erlebbare "vegetarische" Militanz dann doch erstaunlich. Die gleiche Nächstenliebe, die dem Tiere angedeiht, vermisse ich da gegenüber der eigenen Spezies. Wenn dann bestimmte Gewohnheiten und Gesellschaftsgruppen aufeinander treffen, dann kann bisweilen auch ein ziemlich vergiftetes Klima der Ungleichwertigkeit aufkommen (Stichwort: Stereotypes Bild der Kohlenhydrate futternden Hartz-IVer). Insofern schließt sich dort der Kreis zum vorherigen Punkt, dass sich nämlich Veggie zu sein zu einer Art "Lifestyle" entwickelt hat, der für bestimmte - sich für elitär haltende - Schichten auch als gesellschaftliches Abgrenz-Kriterium bzw. Symbol herhält.

Sicherlich gibt es da auch andere Bereiche, insbesondere bezüglich der Gesundheit. Mensch überlege nur mal, wer sich den zum guten Teil als Humbug zu bezeichnenden Kram in Sachen Konsmetik, Ernährung usw. usf. überhaupt leisten kann!

Nun scheint mir die Beobachtung richtig zu sein, wonach "wir" (Wer ist damit eigentlich gemeint?) unkritisch essen. Insofern müsste ein "bewusstes Konsumieren" gefordert werden. Dazu gehört dann u.a. auch, Produkte zu vermeiden, deren Hersteller z.B. im Verdacht stehen, Gewerkschaftsangehörige zu drangsalieren.

Allerdings: Real wird mensch wohl feststellen müssen, dass sich das schwerer umsetzen als proklamieren lässt! Wer weiß denn schon, was und von wem mensch was konsumiert? Haben denn alle Personen überhaupt die Möglichkeit dazu? Und genau da setzt meine Kritik an "Wir sind, was wir essen" an.

Denn sorry, aber wenn ich mir den Vorwurf des unkritischen Konsumierens durch den Kopf gehen lasse und gleichzeitig in Rechnung stelle, dass "die Politik" bei ihrer Planung des Existenzminimums knallhart mit sarrazinärer Schonkost rechnet, dann platzt mir sprichwörtlich die Hutschnur! Es tut mir leid, das so deutlich schreiben zu müssen: Aber der Kritikpunkt am "unkritischen Essen" gibt Wasser auf die Mühlen jener Menschenfreunde, die in ihren Mitmenschen ohnehin nur Tiere sehen (und ihnen deshalb bisweilen auch nicht mehr zustehen wollen, als zum (Dahin-) "Vegetieren" nötig ist). Die Kritik an den akademischen Zwangskochtöpfen beißt sich also durchaus mit der hier gehäußerten Kritik am "unkritischen Essen".

Dabei bin ich natürlich auch nicht völlig vom anderen Stern: Mir ist schon bewusst, dass es bestimmte - festgefahrene - Verhaltensmuster gibt, die überall auftreten und die - mit "gutem Willen" - durchaus aufgebrochen werden könnten. Für gewöhnlich kommen die entsprechend gut gemeinten, erzieherischen Ratschläge dann aber von Leuten, die einer bestimmten elitären Schicht angehören und somit ihre eigenen, menschenfeindlichen "Ihr seid doch selbst schuld!"-Thesen rechtfertigen.

Deshalb hinterlässt auch der letzte Satz des Textes einen bitteren Nachgeschmack:
"Kurzum, die gezielte Askese am Produkt, nämlich, dass ein bestimmtes Produkt nicht immer verfügbar sein kann, ist die notwendige Einsicht in bessere, ethischere, ökologischere, auch sozialere Zustände", (Quelle: Ad-Sinistram, 2009).
Er wäre richtig, wenn alle den gleichen Zugang zu den Produkten hätten, an denen "wir" Askese üben sollen. Er lässt außer Acht, dass eine Reihe von Leuten in Wirklichkeit vom Konsum ausgeschlossen sind - oder gar keine wirklich große Entscheidungsfreiheit bezüglich des Konsumes besitzen (z.B. bei Hartz-IV-Diät).

Trotz der interessanten und richtigen Kritikpunkte, sind es genau dieser fehlende Aspekt und die dadurch erzeugte Tendenz, die mich an dem obigen Beitrag stören.

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