Samstag, 8. März 2008

Arbo spricht: Über Gary Gygax

„Who the f*** is Gygax?“, werden sich jetzt einige Leserinnen dieses Blogs fragen. Der Name an sich ist ja schon ein Unikum. Wenn ich jetzt noch die magischen Worte „D&D“ anbringen würde, hätte dies sicher auch nur Verwirrung zur Folge. Mit der Übersetzung von „D&D“ wäre das Chaos komplett.

Also will ich es einmal ganz kurz so umschreiben: Gary Gygax ist Mit-Erfinder des ersten Rollenspiels (D&D) überhaupt. Jedenfalls sehen das seine Fanboys so (die Fangirls dürften sich in Grenzen halten). Und: Gary Gygax ist tot. Genau genommen ist der am 27. Juli 1938 in Chicago gebohrene Sohn schweizerischer Einwanderer (daher auch der Name) am 4. März 2008 entschlafen.

Eine inhaltliche Berührung mit ihm gab es meinerseits nicht, obwohl ich ja selbst Rollenspieler bin.

Warum ist mir das doch noch eine Würdigung wert?

Das liegt daran, dass jetzt auf einmal eine Lawine des Bedauerns, des Mystifizierens usw. losrollt: „Ohne ihn wäre das Rollenspiel nicht, was es ist!“ ist vereinzelt in Foren und Blogs zu lesen. Aha, wenn ihm der aktuelle Seinszustand des Rollenspiels in aller Gänze zugeschrieben wird, dann wollen wir doch gleich mal mit ein paar positiven Seiten anfangen.

Wie sieht's denn aus mit dem „Rollenspielfaschismus“? Ja, ich nenne das mal so: Das einfache und unreflektierte Deklarieren in „gut“ und „böse“. Soweit ich weiß, stammt ja diese Deklarierung aus dem Gesinnungsspiel D&D.

Gleichesam kritisch könnte ich mal die „Frauenfreundlichkeit“ hinterfragen. Also Sexismus im Rollenspiel. Von einigen, insbesondere weiblichen Personen, die mit dem Hobby Rollenspiel nur mal kurz in Berührung kamen, musste ich mir nämlich immer wieder erzählen lassen, wie sexistisch doch das Frauenbild dort wäre. Wer mal mit offenen Augen durch die Rollenspielwelt schaut, wird das sicher auch bestätigt finden. Vermutlich wird genau das manche Damen vom Rollenspiel fern halten. Außerdem scheint mir die „klassische“ Ausrichtung des Rollenspiels auch nicht sonderlich „freuenfreundlich. Das ist im Grunde auch logisch, wenn jemand wie Gygax, der viel Gefallen an strategischen Kriegssimulationsspielen (sogenannten: Kosims) fand, das Rollenspiel maßgeblich mit prägte. Welche Dame findet denn sowas toll? Selbst im männlichen Bekanntenkreis wird das zum Teil belächelt: Wer sich mal emotional richtig aufbauen möchte, der braucht nur mal eine „Spielerwerkstatt“ (frei übersetzt) besuchen.

Und dann finde ich es auch ziemlich dreist, so zu tun, als ob es ohne Gygax kein Rollenspiel gäbe. Klar, in der Zeit, als Gygax anfing, war insbesondere das Publizieren von Rollenspielregelwerken sicher ein mit Risiko behaftetes Unterfangen: Dafür, dass er und andere es eingingen, dafür gehört er gelobt. Aber unterm Strich, hätte es sicher auch jemand anderes „erfunden“. Wer es nicht glaubt, der muss heute nur mal sehen, wie stark die Indy-Szene des Rollenspiels lebt. Und was alles der virtuelle Untergrund des Internets an Spielwerk bereit hält.

Insofern möchte ich zusammenfassen: Niemand kann wirklich sagen, welchen Einfluss Gygax auf das Rollenspiel hatte. Auf mein Rollenspiel hatte er sicher sehr, sehr weit weniger Einfluss, als die Fanboys und -girls es gerne zubilligen wollen. Und möglicherweise wäre das Rollenspiel ohne ihn heute auch wesentlich besser!

Fakt ist aber auch, dass WIR, die wir Rollenspiel betreiben, das Rollenspiel prägen – im Guten wie im Schlechten. Gerade im Rollenspiel gilt, dass es nicht ein Einzelner zu dem macht, was es ist, sondern alle, die jenes Hobby aktiv ausüben. Das gilt schon in der kleinen Gruppe: Kein Einzelner macht die Geschichte, sondern alle, die daran beteiligt sind. Ich meine, klar, Gygax ist eine irgendwo historische Person des Rollenspiels. Aber an meinem Spieltisch hat er nie gesessen!

Was mir an Gygax trotzdem imponiert, ist, dass er wohl noch im Januar Rollenspiel spielte – und das mit 69 Jahren. Insofern hat so ein Rollenspielopa schon was Sympathisches und ich wette, selbst ohne seinen historischen Nimbus wäre er auf jeder Rollenspielconvention das Unikat schlechthin gewesen. Ich hoffe, dass, wenn ich mal so alt bin, ich dann auch noch so eifrig die Würfel schwingen werde.

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