Sonntag, 25. August 2013

Die Welt dreht sich weiter ...

Die NSA-Affäre, der NSU-Untersuchungsausschuss und die fast schon wieder vergessene Affäre um unsere Drohnen: Was unserer Regierung dazu einfällt? Nichts. Stephan Hebel hatte das Anfang August in "Alle außer Dienst" (Freitag) bereits ganz gut als "offensive Verantwortungslosigkeit" bezeichnet.

Noch eine kleine Randbemerkung zur NSA: Häufig wird derzeit der Vergleich zum MfS gezogen. Niemand konnte ja wissen, welche Datensammelwut dort herrscht. Neben den Informationen von US-Bürgern gingen der NSA nun also mutmaßlich auch Infos der UN ins Netz. Eine gewisse Parallelität mag sich da auftun. Sicher. Aber im Kern besteht die Ähnlichkeit eher zwischen BRD und DDR (und nicht in erster Line NSA & USA = MfS & DDR). Denn die BRD scheint sich in vorauseilender Bruderliebe nicht ganz widerwillig ob der nachrichtendienstlichen Betätigungen unseres "Verbündeten" aus Übersee gezeigt zu haben - wie einstmals die DDR gegenüber der SU, so also die BRD gegenüber den USA.

Jedenfalls sollte mensch sich diesen Treppenwitz der Geschichte auf der Zunge zergehen lassen: Wir haben einen Bundespräsidenten, der uns immer wieder als "DDR-Oppositioneller" oder "Bürgerrechtler" verkauft wird, sowie eine Bundeskanzlerin, die sich ebenfalls ganz angewidert vom DDR-System gibt, und beide glänzen mit der Courage angepasster Systemgänger. Statt bürgerrechtlichem Engagement nun also ein Teflon-Gefasel, das hätte aus der Volkskammer stammen können.

Bleiben wir bei der Politik: Die taz hat kürzlich ein vorzügliches Interview mit Georg Schramm publiziert. Es ist großartig, deshalb will ich auch nichts zitieren: Einfach selbst lesen!

Harald Schuhmann, der einigen Leser_innen vielleicht von seinen kritischen Dokumentationen her bekannt ist (kürzlich erst: Staatsgeheimnis Bankenrettung), schrieb im Tagesspiegel einen interessanten Beitrag über Landgrabbing im Osten: "Kaufen Spekulanten den Osten auf?".


"Kaum bemerkt von den Verbrauchern erfährt die ostdeutsche Landwirtschaft einen radikalen Wandel. Großunternehmen und Kapitalanleger übernehmen eine immer größere Zahl von Landwirtschaftsbetrieben samt den zugehörigen Ländereien. Und von der Ostsee bis nach Thüringen klagen Landwirte über steigende Bodenpreise und unlauteren Wettbewerb." Quelle: Tagesspiegel (12.08.2013)


Auf den NachDenkSeiten ist außerdem ein interessanter Beitrag zu den Tafeln in Deutschland zu lesen: "Die Reputation der Tafeln wird von Unternehmen zur Imagepflege und zur Gewinnsteigerung missbraucht".

Und was war neben der Politik sonst so los?

Zunächst schlechte News von StaticX: Offensichtlich hat es mehr als heftig zwischen Wayne und Tony Campos (Bass) geknirscht, so dass Wayne StaticX kurzer Hand aufgelöst hat. (Siehe Rockhard)

Tony springt jetzt übrigens bei Soulfly von Cavalera herum, die im Oktober ihr neues Album Savages rausbringen. Trailer gibt's auch schon (hier).

Außerdem scheint mal wieder der Reunion-Virus umzugehen. Limp Bizkit sind jetzt wieder mit Wes Borland unterwegs. Im Januar soll mit Stampede of the Disco Elephants eine neue Platte erscheinen. Einen Vorgeschmack gibt "Ready to go". Die Marketing-Maschinerie läuft jedenfalls bereits auf vollen Touren.

Brian Head Welch ist wieder bei KoЯn. Es wird ebenfalls in neues Album geben: The Paradigm Shift. Eine neue Singel gibt's ebenfalls: Never never. Mir persönlich gefällt aber das, was auf dem Trailer zum Album zu hören ist, deutlich besser.

Tja und Sepultura sollen im Oktober auch ein neues Album rausbringen, auf dem - den Gerüchten nach - Dave Lombardo Gast sein wird: The Mediator Between The Head And Hands Must Be The Heart. Ich bin gespannt.

Sonntag, 31. März 2013

Easter Mugge: Monachus und ◯

Kürzlich habe ich mal wieder etwas nach Musik gestöbert. Wer den Blog hier in letzter Zeit gelesen hat, wird richtig vermuten, dass es dabei in Richtung YONL, Red Sparowes, Cult of Luna, Light Bearer usw. ging. Also schön schweres und langsames Zeug, das bisweilen atmosphärisch-verspielt daherkommt und sich für gewöhnlich hinter Labels wie "Doom", "Post-Rock", "Post-Metal", "Atmospheric Sludge" o. ä. verbirgt. Dabei bin ich mal wieder auf zwei Bands aufmerksam geworden, auf die ich an dieser Stelle mal hinweisen möchte.

Schwer begeistert bin ich von Monachus aus Schweden (Hompage). "Out of the Blue" von 2011 ist echt der Hammer. Soundtechnisch irgendwie so fett wie Crowbar, aber von der Geschwindigkeit noch einen Zacken langsamer. Gut, die Stimme ist dort etwas gewöhnungsbedürftig, erinnert ein wenig an Pittbull (falls die noch jemand kennt). Aber es macht einfach Spaß, zu erleben, wie dort langsame Parts in ein Gitarreninferno einmünden, das sich regelrecht totschleppt. Kürzlich haben sie auch ein neues Album veröffentlich: "Below" (2013). Es ist gewohnt fett und der Gesang geht zum Teil sogar noch deutlicher in Richtung Kirk Windstein, erinnert aber zum Teil auch ein wenig an Neurosis. Letzteres aber auch wegen der disonanten Gitarrenführung. Mensch braucht teilweise wirklich Zeit, um sich reinzuhören, aber wenn mensch einen Zugang gefunden hat, macht Monachus einfach Spaß!

Zu einer anderen Band: Was ist von einer Band zu halten, die keinen richtigen Namen hat, sondern sich durch ein Symbol beschreibt und sich deshalb nur schwer im Netz finden lässt? Entweder ist es ein verdammt guter Marketing-Gag oder es ist einfach nur ziemlich dämlich! So ergangen ist es mir mit . Ja, wehrte Leserinnen und Leser, Sie lesen richtig: - genau das ist der Name der Band und jetzt versuche jemand mal spaßeshalber diese Band im Netz zu finden!

Mit etwas Recherche kommt mensch dann etwas weiter und landet auf otheband.blogspot.de oder auf o-music.bandcamp.com. Auf Doomrock.de ist dann zu erfahren:

„◯ isn´t just the letter. ◯ is the circle symbol and at the same time the name of this six piece band from the border region (Belgium/Netherlands/Germany) around Aachen (Germany). In summer 2010 ex-members from 'Allegorie, Dancing on Debris', 'Jack the Rocker' and 'Kings of the Day' got together with the aim to create spheric musical landscapes. The music wants to take the audience on a turbulent journey somewhere between ambient and postrock and sometimes you can guess their musical roots found in punk/hardcore“.

Das Ganze ist deshalb so doof, weil die Band wirklich super Musik macht: Instrumentell, elektronisch und atmosphärisch, leise, aber auch mit lauten Gitarren. Einfach mal die Zeit nehmen und reinhören (Bandcamp). Das ist verdammt interessant und macht Lust, sie auch mal live zu erleben. Bleibt nur noch zu hoffen, dass sie sich mal etwas mit ihren Namen einfallen lassen.

Old Arbo und die Pumpkins: Über einen Neuanfang in alten Latschen mit neuer Sohle

Jaja, der gute Billy Corgan, eine Diva vor dem Herrn und in seiner theatralischen Art für mich manchmal hart an der Schmerzgrenze. Aber irgendwie hat sein Ehrgeiz auch etwas Sympathisches. So im Rückblick kann ich sagen, dass ich den Eindruck hatte, die Pumpkins wären tot und da konnte Corgans Glaube (!) an das Projekt "Pumpkins" in den letzten Jahren auch nichts ändern - eher bestätigten seine Versuche nur das Gegenteil, dass nämlich der Patient nur noch künstlich am Leben erhalten wurde.

Das hatte eine gewisse Tragik.

Letztes Jahr gab's nun das neue Album "Oceania". Und was soll ich sagen, mein Eindruck ist, dass der Patient - für mich völlig unerwartet - aus dem Koma erwachte. Corgan hat es tatsächlich geschafft, ein paar kompetente Musiker um sich zu scharen und mit ihnen zusammen ein Album zu produzieren, dass einzelne begeistert feiern als das "beste Pumpkin-Album seit 'Adore'" (Sven Kabelitz, Laut.de), als "eines der weitaus spannenderen Rockalben der Zeit" bzw. als "gigantisches Album [..], das dem Rock endlich einen zeitgemäßen Habitus bringt" (Jacob Biazza, Focus).

Um ehrlich zu sein, ich habe sehr lange gezögert, mich mit "Oceania" zu beschäftigen, weil mich im Grunde alles seit Siamese Dreams (1993) und Mellon Collie and the Infinite Sadness (1995) nicht mehr wirklich vom Hocker haute und alles, was Corgan in den letzten Jahren versuchte, in meinen Augen Rohkrepierer waren.

Aber nun gab ich mir doch einen Ruck und muss zugeben, dass mich "Oceania" schon vom Sound des Openers "Quasar" einnahm: Hey, da war wieder dieser Sound von Siamese Dreams! Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, aber einige Songs schaffen es wirklich, das alte Pumpkins-Feeling aufkommen zu lassen. Dabei wirkt das Album irgendwie auch frischer. Mensch merkt förmlich, dass es Corgan und seiner Crew Spaß gemacht haben muss, das Album einzuspielen.

Dabei sind zum Teil wirklich fette, recht eingänge wie abwechslungsreiche Songs herausgekommen - teilweise mit einer merklichen, aber nicht unbedingt unangehmen Plasik-Brise Pop. "Quasar", "Panopticon" und "The Chimera" gehören sicher zu den härteren Stücken, von denen mir vor allem aber "The Chimera" durch seinen durchgängigen, Pumpkins-typischen Groove gefällt. "Glissandra" rollt irgendwie mit einer mordsmäßig coolen Bassline nach vorn, begleitet von einem schönen Gitarrengesäusel. "One Diamond, one Heart" liefert einen stumpf-monotenen Dance-Beat und -Sound, der vielleicht einzelnen zu experimentell wirken mag, in seiner Art tatsächlich aus den Songs hervorsticht, aber mir nicht wirklich negativ auffiel. Mit "The Celestials" liefern die Pumpkins meiner Meinung nach einen wirklichen Ohrwurm, dicht gefolgt von "My Love Is Winter".



Tja, "Oceania" ist für mich eine echte Überraschung: Es fühlt sich so an, als ob Corgan den ausgelatschten Pumpkins-Latschen eine neue Sohle spendiert hat und mehr noch, nach jahrelangem Umherirren scheinen die Smashing Pumpkins endlich wieder auf dem richtigen Weg zu sein. Bleibt zu hoffen, dass sie noch eine Weile auf diesem Weg bleiben und uns mit ähnlich tollen Alben beglücken!

Mittwoch, 20. März 2013

Hartz-Happening

Gestern war es wieder mal soweit: Maischbergers gemütliche Runde zum Thema Hartz IV im Ersten. Mit dem Titel und der Auswahl der Gäste wurde offenbar versucht, aus der bekannten Dramaturgie auszubrechen und die Frage "10 Jahre Hartz" verstärkt aus der Sicht der Betroffenen zu schildern. Allerdings mit mäßigem Erkenntnisgewinn.

Frank Lübberding hat dazu in der FAZ eine Frühkritik ("10 Jahre Hartz") verfasst, in der er u. a. auf die "Eingliederungsbilanzen" und "Aktivierungsquoten" der Mitarbeiter(innen) der Jobcenter einging - ganz im Gegensatz zur gestrigen Sendung.

Zu Lübberdings Kritik möchte ich noch ein paar Ergänzungen loswerden.

Erstens stimme ich Lübberding ausdrücklich zu, dass Alt wohl als der Stratege der Bundesagentur für Arbeit gelten kann. Schlimm ist nur, wie der selbst den härtesten Diamanten zu Pudding quatscht. Wer ihm so zuhört und keine Ahnung von Hartz IV hat, glaubt womöglich wirklich, dass alles nicht so schlimm sei. Gut, als Chef wäre es schon eigenartig, wenn er sich nicht vor seine Mitarbeiterinnen stellt. Aber irgendwie hörte ich bei ihm immer nur ein substanzloses "Hauptsache Arbeit" durch, das im behördlichen Kontext zu "dann habe ich sie aus der Statistik und aus den Kosten" zu ergänzen wäre. Darauf hat m. E. nur ein mal Frau Weigl hingewiesen. Dieser lichte Moment verirrte sich aber wieder ziemlich schnell ins Dunkle.

Zweitens war ich irritiert über die Attitüte des 19-jährigen Sohnes von Frau Weigl, der ebenfalls eingeladen wa und sich zu Wort meldete. Irgendwie kam dort ein "Sozialdarwinismus" zum Tragen, der sich gegen sein altes Umfeld und - jedenfalls meines Eindrucks nach - eigentlich sogar gegen seine Hartz beziehende Mutter richtete. Ein "schönes" Beispiel dafür, wie sich die Solidarität im unteren Milieu zerfleischt.

Drittens war es mal wieder bezeichnend, dass niemand auf die Frage der Regelsatzhöhe von Hartz auch nur eine vernünftige Antwort gab. Ein besonders blamables Zeugnis stellte sich Dietmar Bartsch von den Linken aus. Auf die Frage hätte ich zumindest erwartet, dass er auf die Menschenwürde hinweist, die per Sozialstaatsprinzip zu gewähren ist. Es handelt sich um ein Grundrecht, das jedem Menschen zusteht - auch denen, die wir nicht mögen und die Maischberger u. a. in einem Einspieler wieder einmal zeigte.

Stattdessen drang Bartsch nur etwas mit "Würde" und ein Schwall heißer Luft aus dem Mund. Hätte "Maischberger" doch lieber mal den Wolfgang Neskovic eingeladen - der wäre allemal kompetenter aufgetreten. Eine verpasse Chance!

Stattdessen führte Herr Alt - der Bundesagentur-Stratege - aus, dass die Anhebung der Regelsätze auf 500 Euro bedeuten würde, dass dann viel mehr Menschen in Hartz rutschen. Warum? Weil in dem Falle, in dem 500 Euro das soziokulturelle Existenzminimum abdecken sollen, Jobs, die mit ihrem niedrigen Lohn DAS nicht erwirtschaften, automatisch einen Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II gewährleisten würden (also "ALG II" aka "Hartz IV"). Also heben wir den Regelsatz lieber nicht an, damit die Ansprüche auf ALG II und damit die Leistungsbezieher möglichst gering bleiben. Ob der Regelsatz dem soziokulturellen Existenzminimum und damit dem Grundgesetz gerecht wird, spielt dabei offenbar keine Rolle.

Ein Einwand, der in die gleiche Richtung lief, kam von unserem konservativen Konvertiten Herrn Metzger: Ob mensch sich vorstellen könne, wie teuer eine Erhöhung der Regelsätze wäre - das könne sich doch niemand leisten. Im Grunde heißt das aber, dass Leuten wie Metzger das Sozialstaatsgebot und die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums total am Hintern vorbei geht. Menschenwürde, das will mensch sich offenbar nicht leisten.

Für einen waschechten Verterter des Sozialstaates wäre das eine Steilvorlage dafür gewesen, um den Irrsinn zu den Regelsätzen als das zu enttarnen, was er ist. Doch stattdessen gab es nur den Bartsch von den Linken.

Und obwohl beide "Hartz-IV-Mütter" in der Sendung einstimmig meinten, die Regelsätze würden nicht reichen, wurde der Aspekt, dass die Regelsätze eigentlich das soziokulturelle Existenzminimum sowie Teilhabe ermöglichen sollten, nicht weiter verfolgt. Wieder einmal.

Das ist m. E. das Charakteristikum des öffentlichen - wie in Teilen auch: wissenschaftlichen - Diskurses. Diese Diskurskultur zeigt, wie antastbar Mensch und Menschenwürde mittlerweile tatsächlich geworden sind. Da helfen offenbar auch keine Gerichtsurteile mehr (wie z. B. im letzten Jahr zu den Regelsätzen für Asylbewerber). Traurig ist das.

Und wer noch eine Dosis benötigt, um die Faust in der Tasche zu ballen, darf sich "Immer reicher, immer ärmer? Wie geteilt ist Deutschland?" im ZDF anschauen. Allerdings sollte mensch die Äußerungen von Meinhard Miegel, die dort zu erleben sind, mit Vorsicht genießen (siehe hier, hier und hier).

Dienstag, 19. März 2013

Peter Ensikat († 18.3.2013)

Der Kabarettist und Satiriker Peter Ensikat ist am 18.3.2013 gestorben. Ich fand immer beeindruckend, wie scharfzüngig und bisweilen doppeldeutig er die Dinge auf den Punkt brachte. Mit ihm ist ein wahres Stück Kabarett-Geschichte gegangen.