Montag, 18. März 2013

Optimistische Historiker

In der FR ist heute in Interview mit Hans-Ulrich Wehler, einem Historiker, zu lesen: "Es herrscht die reine Gier". Das ist natürlich Werbrung, für sein neues Buch. Thematisch geht es um "die wachsende Kluft von Arm und Reich" (FR). Alles schön und gut. Was er da im Interview kritisiert (Managergehälter etc.), das ist schon richtig - aber auch nicht wirklich neu.

Warum ich das Interview verlinke, liegt darin begründet, dass Wehler dort eine Einstellung zur Schau trägt, die geradezu prototypisch für unsere Eliten zu sein scheint. Zunächst zählt der Herr Historiker eine Reihe von Punkten auf, die durchaus die Frage erlauben, ob er denn mit den Linken sympathisiere, z. B. dass ganze Finanzkrise und die Umverteilung auf den "Neoliberalismus" mit seiner DeRegulierung zurückgehe. Wehler verlangt sogar nach einer Erbschafts- und Vermögenssteuer.

Und was sagt Wehler dann über die Linken? "[D]ie sind die Erben Honeckers, die noch einige Zeit eine Regionalpartei in den neuen Bundesländern bleiben. Aber mit ihren Vorstellungen werden sie sich nicht durchsetzen" (FR; Hervorhebungen von mir).

OK, kann ich kann verstehen, wenn er die Linke nicht mag. Die Linke muss nicht unbedingt Sympathie-Träger sein. Ich meine, die Wagenknecht hat ja auch erst jetzt gelernt, die sprachliche Steifheit einer Gruppenratsvorsitzenden abzulegen und etwas freier zu sprechen. Frau Kipping tut sich da noch erheblich schwerer. Und ja, der Interviewer hätte vielleicht auch eine andere Partei ins Spiel bringen können (Grüne/ B90, Piraten).

Trotzdem ist es bemerkenswert, mit welcher traumwandlerischen Sicherheit Herr Wehler sich selbst ins Knie schießt: Erst "linke" Vorstellungen in den Raum werfen und dann von der Linken behaupten, diese Vorstellungen würden sich nicht durchsetzen.

Aber das ist ja nicht genug: Die Krone setzt Wehler dem Ganzen noch auf, in dem er tatsächlich behauptet, dass Peer Steinbrück ein guter Ökonom sei und "er das kann", die soziale Gerechtigkeit zurück bringen. Steinbrück müsse dazu nur "diese ganzen anderen Sachen mit den Nebenhonoraren und so weiter sofort aufgeben und sich ganz auf diese Probleme der sozialen Ungleichheit werfen" (FR).

Woher nimmt Herr Wehler nur seinen Optimismus? Und vor allem: Woher nimmt er die Kompetenz, einzuschätzen, ob Steinbrück ein guter Ökonom sei?

Ich will dazu einfach mal Albrecht Müller (Freitag) zitieren:
"Steinbrück ist ein miserabler Makroökonom. Noch im Jahr 2008, als die Signale schon erkennbar auf eine Konjunkturabschwächung hindeuteten, polemisierte er als Finanzminister gegen Konjunkturprogramme. Wenige Wochen später beschloss er sie dann im Kabinett Merkel mit. [...] Steinbrück hat als früherer Finanzminister auch die gravierenden Mängel auf den Finanzmärkten mit zu verantworten, für die er in seinem Papier nun wieder Korrekturen vorschlägt. In der Koalitionsvereinbarung 2005 wird der Deregulierung das Wort geredet". 

Bereits 2010 schrieb Müller auf seinen NachDenkSeiten:
"Peer Steinbrück hat als Finanzminister die Finanzmärkte in Fortsetzung von Eichels Arbeit dereguliert und die Spekulation mit Vermögenswerten erleichtert; er ist zusammen mit der Bundeskanzlerin verantwortlich für eine extrem teure Bankenrettung, speziell von IKB, HRE, Commerzbank und einigen Landesbanken; er hat in der Konjunkturpolitik versagt und war maßgeblich an der systematisch betriebenen Verarmung der öffentlichen Körperschaften beteiligt".

Das alles ist bekannt. Aber ein Autor, der ein Buch über die soziale Ungleichheit geschrieben hat und sich ob der Deregulierungen in "neoliberaler" Zeit wütend zeigt, der braucht sich offenbar nicht mit solchen Kleinigkeiten zu beschäftigen. Steinbrück ist der Mann der Stunde. Tja, den "Historiker" gab's dann wahrscheinlich als Trostpreis in der Tombola.

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