Dienstag, 23. September 2008

Über unterschwellige Ausländerfeindlichkeit

Anlässlich der Ereignisse um den Kölner Moscheebau und der Anti-Islamkonferenz* hat HILAL SEZGIN einen interessanten Beitrag für die Frankfurter Rundschau verfasst: Beruf „Islamkritiker“.

“Jeder zweite in Deutschland offenbarte auf entsprechende Befragung hin islamfeindliche Einstellungen, gab letzte Woche das Pew Research Center in Washington bekannt. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen in den vergangenen Jahren auch schon so unterschiedliche Forschungseinrichtungen wie die Gruppe um Wilhelm Heitmeyer und das Allensbacher Institut. Kaum ein Deutscher, der beim Stichwort 'Islam' nicht sofort an Intoleranz und unterdrückte Frauen denkt - ganz egal, wie viel ihm Toleranz und Feminismus ansonsten bedeuten.“

In intellektuellen Kreisen hat sich diese Form von Ausländerfeindlichkeit im „Beruf“ des „Islamkritikers“ salonfähig gemacht. Nicht ganz unschuldig daran sind vor allem „die Medien“: Im Kreuzfeuer der Kritik befindet sich dabei nicht nur die verantwortungslose Titelwahl mancher Ausgaben des Spiegels, sondern auch die Titelwahl mancher Talksendung im öffentlich Rechtlichen, die sich durch Suggestivfragen wie „Wieviel Islam verträgt Europa?“ auszeichneten.

Soweit zum Inhalt des Artikels. Ich persönlich möchte noch hinzufügen, dass es meines Erachtens irgendwie sogar „chic“ geworden zu sein scheint, „islamkritisch“ zu sein. Als „schlimm“ braucht das ja nicht empfunden zu werden, es geht ja schließlich nur um „Kritik“. Allerdings scheint der Unterschied zur Hetze manchmal doch recht fließend zu sein. Offenbar sind solche menschenfeindlichen Tendenzen also in Kreisen etabliert, von denen das normalerweise nicht erwartet worden wäre. Mehr noch: Die, die uns z.B. im Fernsehen repräsentiert werden, gehören sicherlich nicht zur „Unterschicht“ unserer Gesellschaft und zählen sich bisweilen sogar zur „Elite“. Besonders ist hier nicht nur, dass die hier gemeinte Fremdenfeindlichkeit in jenen Kreisen tatsächlich existiert; besonders ist, dass diese im „Gewand der Kritik“ ganz ungeniert zelebriert und verbreitet wird. Gerade die oben angesprochenen Talkshows spielen dabei eine unrühmliche Rolle.

Allerdings: So, wie ungeniert der „Islam“ eine „Kritik“ erfährt, so ungeniert wird momentan auch gegen vermeintlich „links“ stehende Gruppierungen / Ideen usw. zu Felde gezogen. „Kommunist“, „Sozialist“ sind heute wieder als Schimpfwörter fest im öffentlichen Medienbild verankert. Völlig ungeachtet dessen, ob das sachlich überhaupt zutrifft! Und ebenso völlig ungeachtet dessen, dass „Kommunisten“ und andere Andersdenkende mal in Lager gesteckt wurden.

Ähnlich sieht es mit dem vermittelten Bild von „Arbeitslosen“ aus. Da gibt es offenbar auch nur zwei Schablonen: Die strebsame Person, die trotz ALG 2 und unter aller Entbehrung einen Aufstieg versucht; und auf der anderen Seite die „faulen“ Arbeitslosen, die „Schmarotzer“, die sich in dieser Situation eingerichtet haben. Diesem Menschenbild folgt letztlich auch die sogenannte Hart-iV-Gesetzgebung, indem sie davon ausgeht, dass der „arbeitslose“ Mensch gefordert werden muss. Neuerdings wird auch viel vom „aktivierenden Sozialstaat“ gesprochen, dem praktisch auch wieder dieses Menschenbild zu Grunde liegt.

Voll gepackt mit weiteren Klischees ist es also auch diesbezüglich ganz „chic“, solche Gruppen zu „kritisieren“, ganz gleich, ob das „kritisierte“ Bild wirklich der Realität entspricht. Dabei wird auch dem ganz öffentlich im TV gefrönt und zwar wieder von Personen, denen mensch nicht gerade Bildungsarmut oder eine schlechte Einkommenssituation vorwerfen kann.

Worauf ich mit diesen Ausführungen hinaus möchte, ist, dass es offenbar nicht nur eine „islam-kritische“ Tendenz gibt, sondern diese nur einen Teilaspekt einer viel breiteren und vermutlich tiefer verankerten Fremdenfeindlichkeit darstellt. Bei Heitmeyer ist dies m.E. als „Menschenfeindlichkeit“ bezeichnet worden. So „weichgespült“ das zunächst auch klingen mag, so bewirkt dies trotzdem Diskriminierung und Ausgrenzen. Insofern ist der Artikel von HILAL SEZGIN ein notwendiger Hinweis, der zielgerichtet den Finger auf die Wunde legt.


* Siehe u.a. taz, Wallraf im Interview mit der taz, Süddeutsche Zeitung und Die Zeit.

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