Donnerstag, 12. Januar 2017

Hallo mal wieder & weiter im Text: BGE & Hartz IV

Erstmal ein obligatorisch nachträglicher Neujahrs-Gruß meinerseits. Ja, in der letzten Zeit war's wirklich sehr ruhig hier. Das lag aber an der Arbeit und weil ich anderweitig publizistisch tätig bin. Eingemottet wird hier aber nichts. Schauen wir also mal, was 2017 bringt. ;-)

Und das fängt mit einem Beitrag an, der mich dann doch aus dem schreiberischen Winterschlaf geholt hat. In der Süddeutschen schreibt Heinrich Alt, bis 2015 im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, über das "bedingungslose Grundeinkommen" (BGE). Dieses, so der Titel dieses Beitrags, verstöße gegen die Menschenwürde.

Robotisierung, also die zunehmende Automatisierung von Arbeit, ist für Alt noch eine ziemlich utopische Zukunftsmusik, also wenig geeignet um ein BGE zu begründen. Mit dem Fachkräftemangel steht alles andere ins Haus als ein Ende der Arbeit. Die Arbeit, so der Tenor, geht nicht aus.

Ich könnte jetzt noch auf diverse andere Punkte eingehen, so z. B. auf das recht unterentwickelte Verständnis dieses Herrn vom Begriff "Arbeit", das sich nur auf die Erwerbsarbeit bezieht, die er aber auch als integrativ-disziplinierende Beschäftigungstherapie begreift.

Aber insgesamt zeigt bereits seine Wortwahl, welches Geistes Kind er ist, wenn er das BGE als "süffige" Idee bezeichnet oder mit "anstrengungslosem Glück" in Verbindung bringt. Erstaunlich ist, dass er sich in seinem Beitrag noch nicht einmal die Mühe gibt, seine ideologische Prägung zu verheimlichen: Da ist von "sozialer Marktwirtschaft" (nicht von der "Sozialen Marktwirtschaft") die Rede und Mindestlöhne sollen marktkonform sein.

Besonders schräg wird es, wenn er dann auf die "Beteiligungsgerechtigkeit" abhebt, die er dem BGE entgegenhält. Da heißt es, dass jeder etwas kann, kein Talent übersehen und jeder seine Fähigkeiten entfalten soll. (Lustigerweise ist es genau das, was das BGE ja bewerkstelligen soll.) Nund ja, genau das Lied von der Entfaltung der eigenen Fähigkeiten usw. singt mit Alt dann einer, der einem ehemaligen Politiker ankreidete, Hartz IV zu beziehen und ihn - als Leiter dieser BA - auch noch in arge Bedrängnis brachte (Arbeitsagentur attackiert Pirat Ponader"Hartz IV nicht für Lebenskünstler", 2012). Das sagt mit Alt einer, der kein Problem mit Sanktionierungen hat (die idR auf die Kürzung des Existenzminimums hinauslaufen) und der selbst Schrittzähler als Disziplinierungsinstrument für Arbeitslose nicht so problematisch findet (Bundesagentur verteidigt Schrittzähler für Arbeitslose, SPON 2014).

Während sich die Idee des BGEs ganz klar gegen Sanktionen und gegen einen paternalistischen Sozialstaat wendet, vertritt Alt geradezu archetypisch den Antagonisten zu genau dieser Idee: Für ihn muss (!) jeder Mensch einer Lohnarbeit nachgehen, hat sich im Lohn der Marktkonformität zu beugen und dort (aber auch nur dort), wo das nicht ausreicht, soll der Sozialstaat einen Ausgleich schaffen. "Gutes Leben", persönliche Entfaltung und Erfüllung bietet bei ihm einzig die Lohnarbeit; alles andere ist bei ihm Spaß (so wohl auch die von FeministInnen betonte Hausarbeit oder soziale Reproduktionsarbeit). Das Sozialsystem steht bei ihm im Sinne eines "Fördern und Fordern" und hat auch ganz klar disziplinierende Züge: Wer nicht in der Lage ist, sich marktkonform zu verhalten, muss halt in Form gebracht - zum marktkonformen Glück gezwungen - werden.

Vom ethischen Standpunkt her zeigt bereits die Causa Ponader die moralische Integrität des Herrn Alt. Der ideologische Standpunkt ist auch relativ einfach aus seinem Text zu entnehmen, zudem auch aus seinen anderen Äußerungen (in anderen Kontexten). Ich teile das nicht, finde es widerwärtig und menschenverachtend. Aber ich kreide ihm hier im BGE-Text der SZ nicht an, dass er konsequent seinen Standpunkt vertritt. Ich habe von ihm auch nichts anderes erwartet. Das ist nicht mein Punkt.

Mein Punkt ist eher die Frage danach, was um alles in der Welt die SZ dazu gebracht hat, ausgerechnet ihn einen Artikel zum BGE schreiben zu lassen. Angesichts seiner bisherigen Äußerungen ist das in etwa so, wie einen Fleischindustrie-Lobbyisten nach Vegetarismus zu befragen. Hält die SZ ihre LeserInnen wirklich für so blöde? Wenn von der Redaktion das BGE nicht befürwortet wird, dann ist das in Ordnung. Aber muss die Gegenargumentation so plumb aussehen? Oder ist das nur der Versuch, die GegnerInnen des BGE zu desavouieren?

Keine Kommentare: