Sonntag, 13. Januar 2013

Fernsehkritischer Missgriff

Holger Kreymeier von Fernsehkritik.tv hat es sich nicht nehmen lassen, in seiner 106ten Folge eine kontroverse Band zu interviewen. Ich habe Fernsehkritik.tv bisher immer mal wieder gerne gesehen. Aber das Interview hat mich offen gestanden doch erschrocken. Sinn und Zweck des Interviews war es, die vermeintlich verzerrenden Darstellungen dieser Band - vor allem - in den öffentlich-rechtlichen Medien gerade zu rücken. Zu sehen waren in dem Beitrag u. a. Ausschnitte aus einem Aspekte-Beitrag, der meiner Meinung nach im Vergleich zu Kreymeiers Interview etwas mehr Meinungen einfing. Ich will jetzt nicht auf alles eingehen, was es da zu kritisieren gibt. Davon hat bereits Hadez im Forum von Fernsehkritik.tv ein paar Punkte genannt. Dennoch will ich kurz auf einen Punkt eingehen.

Wenn es in einem Text der Band heißt "Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen // Wenn ihr euch ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen" (Wahre Werte), dann hilft auch Kreymeiers Hinweis auf den Kontext Süd-Tirol nicht weiter: Diese Passage bleibt problematisch. Warum, dazu hat sich Andreas Speit (Wikipedia-Seite sowie Uni-Hamburg) in der oben genannten ZDF-Sendung Aspekte geäußert: Das ist eine gängige Parole, die Rechtsextreme ihren Gegnern entgegenschleudern. Wer dann noch die Erfahrungen mit "nationalbefreiten Zonen" hinzunimmt, wird sich mit dieser Parole noch viel weniger anfreunden können. Geh' doch, wenn's Dir nicht passt! ist das dazugehörige Spiegelbild zum Slogan "Gute Heimreise". Aus der jüngeren deutschen Vergangenheit kennen wir ja auch noch solche Sprüche wie "Geh doch nach drüben, wenn's Dir hier nicht passt!", was es auch nicht viel besser macht.

Da hilft es auch wenig, wenn sich die Band von der Instrumentalisierung durch Neonazis distanziert. Wie es im Forum von Fernsehkritik.tv richtig heißt, sind doch "die Gründe dafür [...] zu suchen und die liegen eben vor allem in den Texten der Band" (Hadez). Wenn ich also mit meinen Texten ständig Gefahr laufe, von Neonazis "missverstanden" zu werden, wäre es doch einmal nahe liegend, über die textlichen Qualitäten nachzudenken. Im Fernsehkritik.tv-Interview (ab ca. Minute 9:39) wird das auch angesprochen, aber der Sänger der Band weicht aus, dann erfolgt ein Schnitt und irgendwie eiert er nur noch herum und gibt Antworten von sich, die das Problem im Kontext dieser Frage noch schwieriger machen. Vielleicht ist das im vollständigen Interview, das Kreymeier auf Youtube hochgeladen hat, anders. Ich hab's mir nicht angesehen. Aber in der besagten Folge 106 hätte ich mir ein deutlich kritischeres Nachfragen diesbezüglich gewünscht, erst Recht, wenn in der Einleitung des Beitrags einem anderen Moderator (nämlich Günter Jauch) - übrigens völlig zu Recht - ein zu lascher Moderationsstil (d. h. kein Nachhaken) vorgeworfen wird. 

Die interviewte Band lässt sich schwer als rechtsextreme Band einstufen. Das wird sicherlich auch ihren Erfolg ausmachen, denn mit ganz einschlägigen Texten wäre sie wahrscheinlich verboten und das Publikum sicher kleiner. Der Punkt ist nun, dass Kreymeier hätte deshalb mit mehr Nachdruck danach fragen müssen, was die Band ganz konkret gegen eine rechte Vereinnahmung tut, ob sie da vielleicht auch Probleme in ihren Texten sieht usw. All das fehlt, der Band werden einfach - überspitzt gesagt - Lippenbekenntnisse abgekauft. Und dieser Mangel lässt das Interview, mit dem Holger Kreymeier ein kontroverses heißes Eisen anpacken wollte, nicht wirklich über das Niveau anderer Berichterstattungen hinausreichen. Fernsehkritik.tv bot dieser Band leider ein Forum zum weiß- und weichwaschen. Besser informiert fühle ich mich dadurch nicht.

P.S.: Hier noch eine Stellungnahme von Jupiter Jones, die im oben erwähnten Aspekte-Beitrag (ZDF) zu sehen waren.

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