Samstag, 30. September 2017

Kleine Presseschau [30.09.2017]: Osten, Sachsen & ‚links?‘


Da angesichts der Ergebnisse der Bundestagswahl viel über das Wahlverhalten im Osten spekuliert wird, möchte ich dann doch mal noch auf ein paar Artikel verweisen, die mir in dem Zusammenhang über den Weg gelaufen sind.





Die Wahlergebnisse für die AfD waren insbesondere in Sachen für die CDU ganz, ganz bitter. Michael Kretzschmer (CDU), von dem die ZEIT 2015 noch als „Wutbürgers Liebling“ bezeichnete, hat sein Mandat an die AfD verloren. Das muss sich mensch erstmal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Politprofi und hoher CDU-Funktionär in Sachsen (Generalsekretär der CDU) verliert sein Bundestagsmandat. Einzig, dass dies auf’s Konto der AfD geht, vermiest die Laune. Da mag zwar die richtige Quittung ausgestellt worden sein, aber mit einem fahlen Beigeschmack.

Der Knaller ist nun natürlich, dass Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich nun auch politische Konsequenzen fordert: Die CDU soll eine Kurskorrektur nach rechts vornehmen (ZEIT, 30.09.2017). ‚Moment mal?‘, werden sich da einige denken, ‚Nach rechts? In Sachsen? Geht das überhaupt?‘. Ich will hier nicht mit NSU, Sachsensumpf, Funkzellenüberwachung etc. anfangen. Der letzte Absatz im Artikel von Matthias Meisner (Tagesspiegel, 26.09.2017) bringt die Probleme in Sachsen, insbesondere im Zusammenhang mit der CDU, ziemlich gut auf den Punkt:


„In einem Interview mit der ‚Wirtschaftswoche‘ analysierte Lutz Heimrich nach dem Wahltag die Situation in Sachsen. Etwa die Dresdner seien besonders anfällig für Parolen, wie sie die AfD parat hat. ‚Da gehört auch eindeutig das Thema Ressentiments gegenüber Veränderungen und insbesondere dem Fremdem jeglicher Art hinzu.‘ Dazu komme in der Region ‚eine tief verwurzelte Links-Phobie‘. Heimrich sagte: ‚Alles, was links ist, ist in dieser Region ja schon kurz vorm Verbrechertum.‘ Die CDU habe ‚viel zu viel am rechten Rand gefischt‘, versucht, ‚eine Kopie der AfD zu sein‘. Erfolg habe sie damit nicht gehabt: ‚Da haben die Menschen einfach das Original gewählt.‘“ (Matthias Meisner, Tagesspiegel, 26.09.2017)


Nicht nur die CDU hat am rechten Rand gefischt. Sondern, wie an anderer Stelle behandelt, auch Teile der Linken taten und tun das. Nun, nach der Wahl, hat sich Herr L. dazu angehalten gesehen, seiner Partei und insbesondere der Parteiführung die Leviten zu lesen: Zu viel Zurückhaltung in der Flüchtlingsfrage, d.h. dass die Ängste der Bürger hätten ernster genommen werden sollen, denn es kann ja nicht jede(r) nach Deutschland kommen; die Interessen der Geflüchteten wären ernster genommen worden als die der Einheimischen (Original-Quelle|FB & taz, 27.09.2017). Das klingt wie bei Tillich (CDU), also nach einem Einschwören auf einen Rechtskurs. Das muss sich wohl auch Gregor Gysi gedacht haben, der dann im Neuen Deutschland (28.09.2017) entsprechend gegenhielt und unmissverständlich klarstellte:


„Wir müssen an der Seite der Schwachen und der Mitte in der Gesellschaft, übrigens auch in der Wirtschaft stehen. Das ist unsere Aufgabe. Die Flüchtlinge sind schwach, bei uns sogar die Schwächsten, sich gegen sie zu stellen, verriete meines Erachtens unseren sozialen und humanistischen Ansatz.

[…]

Wenn man mehr soziale Gerechtigkeit will, darf man nicht gegen andere Arme, sondern muss man gegen ungerechtfertigten Reichtum kämpfen. Wechselten wir in dieser Frage unsere Politik grundsätzlich, dann verlören wir viele derjenigen, die uns 2017 gewählt haben, und gewönnen nur wenige hinzu. Meines Erachtens bedeutete dies auch unser Ende als linke Partei. Beschlösse eine Mehrheit der Partei, was ich mir nicht vorstellen will und kann, eine solche Änderung ihrer Politik in der Flüchtlingsfrage, wäre es auf jeden Fall nicht mehr meine.“ (Gregor Gysi, Neues Deutschland, 28.09.2017)


Mensch kann ja viel über die Linken meckern, aber ehrlich gesagt ist mir die Haltung in der Flüchtlingsfrage von Kipping, Gysi u.Ä. wesentlich sympathischer als die Rechtsblink-Versuche von Herrn L. und Frau W.

Mit dem Streit bei den Linken ist es aber noch nicht erledigt. Unlustigerweise wurde Andrea Nahles als Fraktionsvorsitzende der SPD gewählt. Da die SPD reformiert werden soll, ist es an sich schon ein Unding, diese Person sozusagen als ‚Reformerin‘ zu installieren. Warum, darüber will ich keine großen Worte verlieren: „Aufgelesen und kommentiert“ hat schon das Wesentliche dazu zusammengetragen (lesen!). Nein, diese Frau ist einfach untragbar. Und das hat sich dann gleich unter Beweis gestellt.

Da hieß es am 29.09.2017 in der ZEIT, „Nahles geht auf Linke zu“, um dann am gleichen Tag mit ihrer Aussage aufzuwarten, dass die SPD stärker auf innere Sicherheit setzen und einen schärferen Flüchtlingskurs fahren soll (das ehemalige Nachrichtenmagazin, 29.09.2017). „Soziale Gerechtigkeit“ würde zum Kern der SPD gehören, das wäre vernachlässigt worden. Damit argumentiert sie wie ihr alter Partei-Genosse Herr L., der Ähnliches von seiner neuen Partei fordert (siehe Original-Quelle|FB und kritisch dazu noch einmal das ND, 30.09.2017). Inhaltlich ist das ohnehin kritikwürdig. Linke mit Rechtschwenk, die kann mensch getrost vergessen. Aber auch strategisch ist das ziemlich kurios.

Will sie den Flügelstreit in den Linken anheizen? Wie schräg ist erst die Vorstellung, in der Opposition auch gegen eine rechte Partei zu sitzen, dieser dann als „linke“ Parteien mit rechten Inhalten entgegenwirken zu wollen? Und will sie sich politisch wirklich mit Herrn L. zusammensetzen? Beiderseits gibt es ja bestimmte Mimositäten: Herr L. ist schlecht auf die SPD zu sprechen und die SPD – zumindest die Führungskader – ist über seinen Austritt sowie die Gründung der Linken noch nicht hinweg gekommen. Nahles sucht also die Nähe zu genau dem Flügel, der ein Nahekommen auch ihrerseits erschwert.

Insgesamt ist das eine echt schräge Situation. Kann mensch nur mit dem Kopf schütteln. Als ob es also nicht schon schlimm genug ist, mit der AfD eine offen rechtspopulistische Partei im Parlament sitzen zu haben. Nein, jetzt wird aller Orte auch noch auf einen Rechtschwenk eingeschworen. Übel ist noch eine höfliche Umschreibung des Gefühls, das mich dabei überkommt.

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