Kürzlich wurde der Dokumentarfilm „Zensur“ von
Markus Fiedler veröffentlicht, den auch die NachDenkSeiten (NDS, 09.03.2017)
ihren Leserinnen und Lesern „ans Herz legen“. Worum geht’s bei dieser
Dokumentation?
„Zensur“ ist praktisch die Fortsetzung von
Fiedlers „Die dunkle Seite der Wikipedia“. Am Beispiel von Daniele Ganser, aber
auch Ken Jebsen wird thematisiert, wie die entsprechenden Einträge zu diesen
Personen auf Wikipedia „zensiert“ werden. Dabei sollen laut Dokumentation
verschiedene Netzwerke ihre Hände im Spiel haben: Genannt werden u. a. die
Ruhrbarone, Psiram, GWUP und der Humanistische Pressdienst, die alle irgendwie
in Verbindung stehen. Darüber hinaus werden antideutsche Ideologie sowie verschiedenes
Personal der Amadeo-Antonio-Stiftung diskutiert.
Nun kann mensch zu Ganser, Jebsen oder auch zu
den NDS stehen wie mensch will. Im Grunde ist es für mich auch völlig
unerheblich, um wen es sich dabei tatsächlich handelt. Denn es bleibt eine zu
kritisierende Sauerei, wenn – wie in der Dokumentation behauptet – die Einträge
bei Wikipedia entsprechend ideologisch zensiert, frisiert oder bewusst mit
falschen oder halbgaren Sachverhalten gespeist werden. Das, so die
Dokumentation, bezieht sich nicht nur auf Personen, sondern auch auf
Themengebiete (z. B. Nato). Ich finde es grundsätzlich auch informativ,
wenn Netzwerke erkennbar gemacht werden, die inhaltlich einen Einfluss auf
Medien haben und die sich zum Teil rege gegenseitig zitieren. Und offen
gestanden halte ich die Skeptiker-Bewegung, die im deutschsprachigen Bereich
u. a. durch Psiram und GWUP vertreten werden, für zum Teil recht
dogmatische Ideologen, wo Wissenschaft nur das Ersatzlabel „Glaube“ ist. Das
einmal zu benennen, das finde ich so schlecht nicht.
Soweit, so gut und so berechtigt das ursprüngliche
Anliegen der Dokumentation (soweit ich das in meiner wohlmeinenden, vielleicht
naiven Art unterstelle). Nicht so gut – bis grauenhaft – sind die Machart –
also der Stil und die Ästhetik – sowie verschiedene inhaltliche Punkte der
Dokumentation.
Stilistische Kritikpunkte
Zu den stilistischen Dingen, die mir negativ
auffallen, zählt vor allem die Länge. Die Dokumentation geht über zwei Stunden,
was an sich kein Problem wäre, wenn in den zwei Stunden auch etwas passieren
würde. Doch es werden Dinge wiederholt, dann gibt es m.E. auch noch einen
völlig unnötigen „Einspieler“ im Stile von „Sendung mit der Maus“, damit auch
das letzte zum Menschen mutierte Pantoffeltierchen mitbekommt, um was es geht.
Überhaupt werden in der gesamten Dokumentation meist Dinge erläutert, bei denen
ich mich frage, ob das nicht auch hätte kürzer gehen können und inwiefern dafür
eine Dokumentation überhaupt das
richtige Format ist.
Denn wenn es schwerpunktmäßig um Papiere,
Einträge, Tabellen usw. geht, dann lese ich doch lieber einen Artikel – mit entsprechenden
Quellenvermerken und einem Literaturverzeichnis. Das muss ich nicht in einer
Dokumentation haben. Stattdessen hätte Fiedler viel mehr Interviews einbauen
können (mir geht’s hier nur um den stilistischen Effekt, nicht um die
Interviewten – das wäre nochmal eine andere, eher inhaltliche Sache). So aber
wirkt die Dokumentation wie eine schlechte Vorlesung, bei der die Dozierenden
Folie für Folie über den Lichtprojektor (ostdeutsch: Polylux) ziehen.
Negativ finde ich auch diesen ganzen Pathos in
der musikalischen Untermalung und den verschwörerisch wabernden grünen
Matrix-Hintergrund als Zwischenblende. Gut, da mag mensch sagen, dass das z.B.
bei den Happy-Nazi-Hitler-Dokus im ZDF auch nicht anders gemacht wird. Doch
irgendwo stellt die Dokumentation an sich den Anspruch, Medien zu kritisieren
und damit selbst seriös zu sein. Was soll also eine musikalische und optische
Untermalung, die ständig das Gefühl von „Verschwörung“ und „Gefahr“ vermittelt?
Das gilt vor allem bei einer Dokumentation, die antritt, dem Vorwurf der
Verschwörung gegenüber bestimmten Personen etwas entgegenzusetzen. Warum dieser
orakelnde Ton? Der erstreckt sich übrigens auch über die rhetorischen Fragen,
die dort gestellt werden. Stilistisch geht das also – gemessen auch am Anspruch
– total nach hinten los.
Inhaltliche Kritikpunkte
Vom Inhalt her will ich zwei negative Dinge hervorheben.
Dazu gehört allgemein das Thema „Antifa“. Am Anfang des Beitrags wird auf
Gewalt und antideutsche Strömungen in der Antifa hingewiesen. Dazu wird
irgendwo im ersten Drittel der Dokumentation noch differenziert argumentiert,
dass es eine „echte“ Antifa geben würde und eine, die von antideutschen
IdeologInnen unterwandert sei. Aber je weiter die Dokumentation voranschreitet,
desto weiter entfernt sich Fiedler von dieser Differenzierung. Im späteren
Verlauf wird dann nur noch von der Antifa gesprochen, die mit Antideutschen
gleichgesetzt wird.
Als zweiten, viel schwer wiegenden Punkt,
empfinde ich die Behauptung, dass die Antifa vom Staat unterstützt würde und
Gelder bekommt, um z. B. Gegendemonstrationen durchzuführen. Dazu wird in
der Dokumentation Vera
Lengsfeld eingeblendet (ab Minute 40:11), die dort behauptet, dass sich unter anderem der
sächsische Freistaat hier besonders mit der entsprechenden Unterstützung
hervortun würde. Garniert ist das Ganze noch mit ihrer Behauptung, diese Unterstützung würde auf alten SED-Seilschaften beruhen. Lengsfeld selbst wird dort als Stasi-Opfer vorgestellt, was sie auch
in der Tat ist.
Nur vergisst Fiedler zu erwähnen, dass Lengsfeld auch
noch ziemlich konservativ und CDU-Mitglied ist. Frau Lengsfeld schreibt auf der
„Achse des Guten“ und war 2013 im Vorstand des konservativen Bürgerkonvents –
zusammen mit B.v.Storch/AfD (Lobbypedia). Wer genau schaut, wird feststellen, dass Lengsfeld den Vortrag, auf den Fiedler verweist, auf einer Veranstaltung der Preußischen Allgemeinen Zeitung hält - die wiederum ins neurechte Spektrum einsortiert wird. 2016 hat
sich Frau Lengsfeld dann auch noch recht öffentlichkeitswirksam einen
erheblichen Griff in die Kloschüssel geleistet, als sie den Rechtsextremismus
in Sachsen und das dazugehörig blinde Auge der (CDU-) Landesregierung relativierte
(siehe
Stern, 01.12.2016).
Jedenfalls braucht es nicht viel, um mit der von
Fiedler gern bemühten Methode Dr. Google zu erfahren, dass sich Frau Lengsfeld
in verschiedenen Artikeln sehr deutlich gegen das wendet, was sie
„Linksextremismus“ bezeichnet. Und das kann so ziemlich viel sein, was nicht
ins konservative Weltbild passt. Nicht verwunderlich ist dabei, dass dann
ständig „links“ und „Nazi“ und „rechts“ zusammengewürfelt wird. Zwar mag das
irgendwo grob zu Fiedlers These passen, dass die Antifa unterwandert sei,
nichts mehr mit der „alten“ Antifa zu tun habe und dass diese antideutsche
Antifa Hetzjagd auf bestimmte Friedensbewegte und Linke macht, die von ihr als
„antisemitisch“, „antiamerikanisch“ usw. denunziert werden. Aber so recht
realisiert hat Fieder dabei nicht, dass er sich in seiner Kritik mit einer
Person gemein macht, die so stramm konservativ gebürstet ist, dass sie
tatsächlich im neurechten Milieu flanieren geht.
Es ist schon kurios, dass er gerade den Querfront-Vorwurf
mit einer Person zu entkräften versucht, die hier Querfront von rechts ruft.
Links und rechts werden von ihr bekanntlich gleichgesetzt, wo es doch dem Autor
eigentlich auch darum geht, bestimmte Personen wie Ganser oder Jebsen vor dem
Vorwurf „rechts“, „rechtsradikal“ und „Querfront“ zu schützen.
Das ist reichlich schräg. Und noch schräger wird
es, wenn ich die obige Behauptung mit dem abgleiche, was ich in Sachsen erlebt
habe.
Ich selbst bin in Leipzig groß geworden, habe im
alternativen Milieu Hardcore-Punk gemacht und kann mich noch gut an die
Situation 1996 bis 1999 erinnern. Da war die rechte Gewalt noch durchaus sehr
hautnah zu spüren, insbesondere, wenn’s ins tief braune sächsische Hinterland
ging, wo es noch die einen oder anderen alternativen Jugendzentren und -clubs
gab.
Ich kenne auch Leute, die sich gegen rechts
engagiert haben. Jetzt weiß ich nicht, ob die bei der antifa waren. Aber ich
weiß, dass der liebe Freistaat so seine Probleme mit der Förderung von
demokratischer Jugendkultur und so hatte. Das kumulierte dann letztlich in die
bekannte Anti-Extremismusklausel, wo sich die, die schon über Jahre hinweg
gegen rechts mobilisierten und auch Bildungsarbeit leisteten, auf einmal zum
Grundgesetz bekennen sollten. Ganz so, als ob die es sind, die mit
Menschenwürde, Gleichberechtigung usw. ein Problem hätten. Das war auch deshalb
übel, weil die praktisch für alle die Hand ins Feuer halten sollten, die an
ihren Aktionen teilnahmen. Nun kann aber niemand ausschließen, dass im Falle
einer Gegendemo gegen rechts auch Leute kommen, die dem Freistaat Sachsen nicht
genehm sind. Tja, so wurde aus der Extremismusklausel ein Instrument der
Gesinnungssippenhaft. Glücklicherweise wurde die 2015 abgeschafft.
Nichtsdestotrotz bleibt’s ein Symbol für die Situation in Sachsen. Selbst wenn
Sachsen also Demonstrationen gegen rechts unterstütz haben sollte, war das
offenbar nie genug und – entgegen der Suggestion in der Dokumentation –
dringend geboten. Ich werfe hier nur das Schlagwort NSU in den Raum, das müsste
zumindest bundesweit bekannt sein. Die, die sich in Sachsen gegen rechts
stellten, die lassen sich jedenfalls nicht so einfach auf gewalttätige,
antideutsche Ideologen reduzieren.
Tja und da kommt Herr Fiedler in offenbar
völliger Unkenntnis der Sachverhalte her, verweist auf eine rechts-konservativ
blinkende CDU-Frau und deren Behauptung, dass Sachsen Gegendemonstrationen
gegen rechts unterstützt, und lässt das wirken, als ob es sich vornehmlich um
antideutsch motivierte Gegendemonstrationen gegen rechts gehandelt habe. Das,
was gegen rechts ist, wird damit im Dreisprung unter „links“, „linksextrem“ und
„antideutsche Antifa“ zusammengefasst. Im Subtext wird damit auch noch
transportiert, dass diese antideutschen Ideologen vom Staat unterstützt werden.
Vielleicht mag das nicht beabsichtigt gewesen sein. Aber genau so kommt es bei
mir als ehemaligen Sachsen an.
Nicht nur, dass sich Fiedler mit Blick auf den
durchaus missbräuchlichen „Querfront-Vorwurf“ ins Knie schießt. Nein, richtig
ärgerlich ist, dass er mit dieser Suggestion auch noch allen einen Bärendienst
erweist, die sich im braunen Hinterland – schon seit Jahren – für ein buntes
und demokratisches Klima engagieren. Und der Vorwurf ist mit Blick auf die
Dokumentation keineswegs nur auf Sachsen beschränkt, sondern darf gerne mit
Blick auf den gesamtdeutschem Kampf gegen rechts gewertet werden. (Ich hab’s hier
nur auf Sachsen bezogen, weil in der Dokumentation dieser Bezug gewählt und
bundesdeutsch verallgemeinert wurde.)
Schlussbemerkung
Es gäbe insgesamt sicher noch das eine oder
andere mehr zu der benannten Dokumentation zu schreiben. Aber ich habe mich
bewusst auf die beiden genannten inhaltlichen Punkte beschränkt, weil sie mir
regelrecht ins Auge gesprungen sind. Und weil ich denke, dass diese schon ziemlich
schwer wiegen. Schließlich betrifft das Behauptungen, die sich durch die
gesamte Dokumentation ziehen. Jedenfalls halte ich diese beiden Punkte für
ausreichend, um zu zeigen, warum mich die Dokumentation nicht wirklich
überzeugt hat und warum ich diese trotz des berechtigten Anliegens nicht ernst
nehmen kann. Die Dokumentation leistet sich – wie geschrieben – einen Schuss
ins Knie. Denn im Grunde arbeitete sie dem Vorwurf der „Querfront“ zu, in dem
„links“ wie „rechts“ gleichgestellt werden.
Bemerkenswert ist aber auch, dass die NDS diese
Dokumentation empfehlen. Es ist ja nicht so, dass Müller & Co. sich nicht
auch ständig dazu angehalten sehen, sich mit dem „Querfront“-Vorwurf
beschäftigen zu müssen. Und nun legen sie einem eine Dokumentation ans Herz, in
dem mit Verweis auf eine rechtskonservative CDU-Politikerin „rechts“ mit
„links“ gleichgesetzt wird. Schönes Eigentor, kann ich da nur sagen.
(Update 13.03.2017, 00:14 Uhr ,Ergänzung zu Lengsfeld)
(Update 13.03.2017, 00:14 Uhr ,Ergänzung zu Lengsfeld)
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