Ich hatte kürzlich
angedeutet, dass ich die „Ehe für Alle“ als eine Art Test-Thema für eine
bevorstehende Jamaika-Koalition hielt. Da habe ich mich aber gehörig getäuscht.
Offen gestanden hatte ich nicht damit gerechnet, dass das auf einmal alles so
schnell geht und wir heute, am Freitag, die „Ehe für Alle“ bekommen. Wer sich
für die namentliche Abstimmung interessiert, findet im Handelsblatt
eine ausführliche Darstellung (unten im Artikel gibt’s eine Liste mit den
Abgeordneten und ihrer Abstimmung, nicht enthalten sind „nicht abgegebene
Stimmen“).
Und genau darin zeigt sich eigentlich die ganze
politische Verlogenheit der letzten Jahre: Es haben viele aus der SPD, von den
Grünen und den Linken dafür gestimmt. Praktisch zeigt sich damit, was in Sachen
RRG hätte schon längst funktionieren können. Tja, so viel zu "verlorenen Jahren".
Der eigentliche Knaller ist nun aber Folgendes.
Die „Ehe für Alle“ wurde offensichtlich dafür genutzt, uns davon abzulenken,
dass heute auch noch ein ziemlich bedenkliches Gesetz verabschiedet wurde: Es
geht um das sogenannte „Facebook-Gesetz“ (Tagesthemen,
30.06.2017 10:42 Uhr), das „Hass-Kommentare“ eindämmen soll und von
Kritikerinnen und Kritikern auch als „Zensur-Gesetz“ bezeichnet wird (siehe u.a. SZ,
Meedia
und Handelsblatt).
In einer Anhörung zu diesem Gesetz waren zehn Sachverständige geladen, von
denen acht (!!!) Sachverständige sogar verfassungsrechtliche Bedenken äußerten
(SPON
19.06.2017). Während nun viele aus verständlichen Gründen freudetrunken die
„Ehe für Alle“ feiern, die Medien sich entsprechend darauf stürzen, wird das
Facebook-Gesetz in der Feierlaune medial wohl untergehen. Wie eine hohnhafte
Bestätigung dessen liest sich das ehemalige Nachrichtenmagazin,
das einen ehemaligen Bundesverfassungsrichter damit zitiert, dass er die „Ehe
für Alle“ für grundgesetzwidrig hält. Nach der Grundgesetzlichkeit des „Facebook-Gesetzes“
zu fragen, das hatte das ehemalige Nachrichtenmagazin „verschlafen“?
Mit ein paar Jahren Abstand werden wir wohl sagen
müssen, dass hier der berechtigte Anspruch auf Gleichbehandlung
gleichgeschlechtlicher Partnerschaften der Preis war, den „die Politik“ zahlte,
um ein umstrittenes Internet-Gesetz auf den Weg zu bringen.
Abschließend noch ein Gedanke: Die „Ehe“ ist ja
ein ziemlich konservatives Konstrukt. Gut, es mag auch Menschen geben, die
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zuneigen und die konservativ sind.
Besser gefunden hätte ich, die „Verpartnerschaftung“ auszuweiten und so auch ungleichgeschlechtlichen
Partnerschaften der „Ehe“ gleichzustellen sowie damit eine Möglichkeit der
partnerschaftlich-rechtlichen Vor- und Fürsorge jenseits der „Ehe“ zu
ermöglichen. Leider sind wir davon weit entfernt. Mir scheint, dass wir das,
was wir heute als „Ehe für Alle“ bezeichnen, das konservative Denken eher
verfestigen und eine ehegleiche Partnerschaft jenseits der konservativen „Ehe“
in weitere Ferne rücken lässt.
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