Es herrscht wieder Krieg. Und
zwar in Europa. Kein innerstaatlicher Krieg, kein Bürgerkrieg, sondern die russische
Armee marschierte in der Ukraine ein. Es wäre zu viel gesagt, zu behaupten,
mich hätte das komplett aus der Bahn geworfen. Aber ich fühle mich ehrlich
gesagt überfordert. So eine Situation habe ich bislang nicht erlebt.
Zunächst scheint wie immer die
Kriegspropaganda anzulaufen: Der Konflikt erfährt eine personalisierte
Zuspitzung, es wird psychologisiert, das Gegenüber als irre, nicht
zurechnungsfähig usw. deklariert. Die andere Seite wird zum bewundernswerten Helden stilisiert. Das ist ein bekanntes Muster, mensch kennt vor allem den abwertenden ersten Teil vom Irren aus Bagdad (Hussein), dem »Schlächter des Balkans« (Milošević), dem
Irren von Tripolis (Gaddafi)… Üblicherweise ist es die Endsequenz solcher Diktaturen,
wo es nicht mehr um einen Dialog geht. Um Dialog soll es auch nicht mehr gehen,
mensch braucht ein klares Feindbild. Aktuell lese ich nun auch vom irren,
wahnsinnigen, drogenabhängigen usw. Putin. Putin der Lügner, der »den Westen«
an der Nase herumführt und Regierungschefs dick in die Tasche lügt. Die News,
die in den letzten Tagen in die sozialen Netzwerke gesetzt werden, sprechen davon,
dass Putin sich zurückgezogen habe, er ideologische Sachen lese – das wirkt
geradezu wie eine Reminiszenz von Hitlers letzten Tagen im Führerbunker. Und mehrmals
ertappte ich mich bei dem Gedanken, ob mensch auch über andere Regierungschefs
kriegsführender Länder – die USA, Frankreich, Deutschland … – in dieser Form in
westlichen Medien schreiben würde. Sind es üblicherweise nicht immer »die
anderen«, die so dargestellt werden?